TV-Tipp: "Weihnachtstöchter"

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TV-Tipp: "Weihnachtstöchter"
TV-Tipp: 14. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr
"Weihnachtstöchter" spielt in Frankfurt, wo Regisseur Rolf Silber gerne dreht - auch gerne mit Tim Bergmann in der Hauptrolle. Ein Aneurysma spielt in "Weihnachtstöchter" eine wichtige Rolle, denn der Film ist nur vordergründig eine Komödie.

Die Filme von Rolf Silber spielen immer in der Main-Metropole; und oftmals wirkt Tim Bergmann mit, der sich 1996 mit seiner ersten großen Rolle in Silbers Kinokomödie "Echte Kerle" gleich ganz nach vorn gespielt hat. Trotzdem wäre die Behauptung einer beruflichen Männerfreundschaft übertrieben: "Weihnachtstöchter" ist erst die vierte Zusammenarbeit der beiden. Immerhin war Bergmann in Silbers wichtigsten Fernsehfilmen der letzten Jahre dabei: "Männer ticken, Frauen anders" (2011) war ein Wirtschaftskrimi, den Silber als romantische Komödie erzählte, und in dem Drama "Durch diese Nacht" (2009) hat der hessische Autor und Regisseur seine eigene Gehirnblutung verarbeitet.

Ein Aneurysma spielt auch in "Weihnachtstöchter" eine wichtige Rolle, denn der Film ist nur vordergründig eine Komödie: Nach dem Tod von Großbäcker Johann König (Peter Lerchbaumer) treffen sich dessen drei Töchter von verschiedenen Müttern an Weihnachten im einstigen Elternhaus, um den Nachlass zu klären, den sie zu gleichen Teilen geerbt haben. Der Erzeuger ist die einzige Gemeinsamkeit der drei Frauen, ansonsten könnten sie kaum unterschiedlicher sein: Die älteste (Gesine Cukrowski) heißt Regina, was ihren Geburtsnamen zu einem echten Pleonasmus macht, zumal sie offenbar seit jeher Probleme hatte, ihr Königreich mit den jüngeren Geschwistern zu teilen. Den entsprechenden Dünkel ist sie bis heute nicht losgeworden; dem Vater hat sie stets vorgehalten, die beiden Schwestern mit Frauen von deutlich niedrigerem Stand gezeugt zu haben. Regina hat eine Patisserie und einen Ehemann (Max von Pufendorf), der die Hoffnung hegt, mit den wertvollen Kunstwerken des alten König ein teures Darlehen zurückzahlen zu können. Die zweite Tochter, Katarina (Elena Uhlig), leidet bis heute unter einem Trauma, bei dem Reginas Großvater eine wesentliche Rolle spielt. Sie hat einst ihr Psychologiestudium abgebrochen, arbeitet in einem Kinderheim, das eine Finanzspritze gut brauchen könnte, und fürchtet sich davor, wie ihre Mutter in Demenz zu enden. Die dritte im Bunde, Nesthäkchen Diana (Felicitas Woll), ist Besitzerin eines Clubs, der pleite gemacht hat. Dass sie sich gern mit einer dunkle Aura umgibt, hat allerdings andere Gründe. Einer ist ihre Mutter, die Diana einst als Kind bei König zurückgelassen hat. Aber es gibt auch einen aktuellen Anlass, wie Computer-tomografische Bilder ihres Gehirns offenbaren.

Im Alltag haben die Frauen offenbar nicht viel miteinander zu schaffen, obwohl sie alle in Frankfurt leben, und selbstredend kommen im Verlauf der Handlung nicht nur alte Rechungen, sondern auch düstere Familiengeheimnisse zur Sprache. Dass das Trio überhaupt unmittelbar vor Weihnachten eine Nacht im einstigen Elternhaus verbringt, ist der Hartnäckigkeit von Königs Nachlassverwalter (Tim Bergmann) zu verdanken. Wenn sich die Schwestern nicht bis Silvester einigen, wie sie mit dem gemeinsamen Erbe umgehen, wird das Reich des "Backkönigs" untergehen: Das Unternehmen ist verschuldet, kann aber gerettet werden, wenn Regina, Katarina und Diana an einem Strang ziehen; doch danach sieht es überhaupt nicht aus, weil jede der drei Frauen nur an sich denkt.

Natürlich ist das ein veritabler Dramenstoff, und tatsächlich ist die Geschichte, wenn überhaupt, allenfalls eine Tragikomödie, selbst wenn es dank der bissigen Dialoge immer wieder kleine Heiterkeiten gibt, weil sich die Frauen keinen Giftpfeil schuldig bleiben. Für gleichermaßen anrührende wie zumindest ansatzweise komische Momente sorgen die kurzen Auftritte des alten Herrn, der seinen Töchtern als Geist begegnet. Weil zu echten Weihnachtsfilmen auch Kinder gehören, hat Silber sein Ensemble um eine Figur ergänzt, die schließlich nicht ganz unerwartet großen Anteil daran hat, dass die Geschichte doch noch gut ausgeht: Amanda, ganz vortrefflich von einem Mädchen namens Yuna verkörpert, hat sich in Katarinas Auto geschmuggelt und versteckt sich nun im Haus. Amanda ist stumm, seit ihre Eltern bei einem Autounfall gestorben sind. In einer bedrückenden Szene werden die entsprechenden Erinnerungen wach, als eine lautstarke Auseinandersetzung der Schwestern auf der Tonspur in einen Streit übergeht, den die Eltern des Mädchens während der letzten Autofahrt hatten. Über weite Strecken muss das kulleräugige Kind bloß ein Schmollgesicht ziehen, aber als es wieder bei Stimme ist, offenbart sich die kleine Yuna als Naturtalent.

"Weihnachtstöchter" lebt ohnehin überwiegend von den Leistungen des Ensembles, zumal die drei Hauptdarstellerinnen ebenso wie Bergmann sehr glaubwürdig in ihren Rollen aufgehen. Silber (Buch und Regie) hat den Film mit seiner Firma U5 auch produziert. Angesichts der prominenten Besetzung war dann wohl nicht mehr genug Geld für eine ordentliche digitale Bearbeitung übrig; einige visuelle Effekte wirken eher rührend als eindrucksvoll. Deutlich gelungener sind die Auftritte eines obdachlosen sizilianischen Weihnachtsmanns, der ebenfalls im Hause König strandet, sowie die Mitwirkung von Natalia Bobyleva als alte Haushälterin, die Amanda unter ihre Fittiche nimmt und großen Anteil daran hat, dass die Schwestern schließlich Frieden schließen.