80-Millionen-Finanzloch aus Rücklagen gestopft

80-Millionen-Finanzloch aus Rücklagen gestopft
Die Corona-Folgen setzen der württembergischen Landeskirche zu: Zehn Prozent weniger Steuereinnahmen werden dieses Jahr erwartet. Noch reichen die Rücklagen, bald muss es aber zu Sparbeschlüssen kommen.

Der Teil-Lockdown und andere Corona-Beschränkungen wirken sich auf die Finanzen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg aus. Sie erwartet für das laufende Jahr 80 Millionen Euro weniger Kirchensteuereinnahmen. Statt der geplanten 790 Millionen Euro kommen voraussichtlich infolge der Corona-Pandemie nur noch rund 710 Millionen in die Kirchenkasse, sagte der Finanzchef der Landeskirche, Oberkirchenrat Martin Kastrup, am Montag in Stuttgart. Das Finanzloch soll vorübergehend durch den Griff in die Rücklagen gestopft werden. Über das Vorgehen wird in der am Donnerstag, 26. November, startenden Herbsttagung der Landessynode bestimmt.

Die württembergische Kirche hänge finanziell stark am wirtschaftlichen Erfolg der baden-württembergischen Wirtschaft und des Mittelstandes, erläuterte Kastrup. Im laufenden Jahr beziffere man den Kirchensteuerrückgang mit rund zehn Prozent. Aus den Rücklagen müssten 2020 etwa 80 Millionen Euro entnommen werden, im Folgejahr möglicherweise noch einmal so viel. Gleichzeitig rechne man weiterhin mit einem Rückgang der Kirchenmitglieder aufgrund der demografischen Entwicklung und des Austrittsverhaltens.

Finanzdezernent fordert Zehn-Jahres-Strategie

Auf den absehbaren Einnahmenrückgang hatte die Kirche mit einer Haushaltssperre reagiert, um nicht zwingende Ausgaben zu verschieben oder zu streichen. Das hat laut Kastrup bereits zehn Millionen Euro gespart, etwa durch das Nichtbesetzen freier Stellen, abgesagte Veranstaltungen und ausfallende Dienstreisen. Der Finanzdezernent bekräftigte seine Forderung nach einer Zehn-Jahres-Strategie der Landeskirche, um systematisch auf das Jahr 2030 hinarbeiten zu können.

Der Vorsitzende des Finanzausschusses der Landessynode, Pfarrer Tobias Geiger, sagte, die Landeskirche hänge nicht an der großen Zahl ihrer Mitglieder. "Aber mit 1,5 Millionen Mitgliedern können wir nicht Strukturen finanzieren, die für zwei Millionen oder mehr angelegt waren." Geiger warnte davor, die finanziellen Reserven der Kirche in der Corona-Zeit leer zu räumen: "Wenn wir jetzt kurzfristig unsere Rücklagen abschmelzen, dann fehlen uns mittelfristig die Gestaltungsmöglichkeiten für die langfristigen Entwicklungen."

Synodenpräsidentin Sabine Foth sagte, trotz zurückgehender Gelder befürchte sie keine Verwerfungen im "Kirchenparlament", wenn es um Sparbeschlüsse gehe. Ein Sonderausschuss befasse sich bereits seit Monaten mit den Konsequenzen aus dem Einnahmenrückgang. Es werde zwischen den unterschiedlichen Kräften in der Synode voraussichtlich "ruckeln" - sie hoffe aber, dass das in gegenseitiger Wertschätzung geschehe.

Vorschau auf die Herbsttagung

Die Herbsttagung der Landessynode in Stuttgart wird in diesem Jahr hybrid veranstaltet - 30 Teilnehmer treffen sich im Hospitalhof, die übrigen 61 sind per Internet zugeschaltet. Inhaltlich wird es an den drei Sitzungstagen unter anderem um den Haushalt, den Bericht von Landesbischof Frank Otfried July mit dem Schwerpunkt Diakonie und um die Einrichtung eines Referats für Umwelt- und Klimaschutz im Oberkirchenrat gehen.

Auf der Tagesordnung stehen zudem ein Beitritt der Landeskirche zur "Initiative Lieferkettengesetz" und die Unterstützung des Seenot-Rettungsbündnisses "United4Rescue". Außerdem ist der jährliche Bericht zur Verfolgung von Christen im Iran, in Syrien und im Libanon vorgesehen. Auch die Planung eines Gemeinde- und Innovationskongresses voraussichtlich im Jahr 2023 wird die Synodalen beschäftigen. Das "Kirchenparlament" repräsentiert rund 1,9 Millionen württembergische Protestanten.