TV-Tipp: "Kommissar Dupin: Bretonische Flut"

TV-Tipp: "Kommissar Dupin: Bretonische Flut"
10. September, ARD um 20.15 Uhr
Mittlerweile zeigt das "Erste" nur noch einen "Dupin"-Krimi pro Jahr, weil sämtliche Romane von Jean-Luc Bannalec bereits verfilmt worden sind; die Verantwortlichen müssen warten, bis der Autor sein nächstes Werk vollendet hat. Also behilft sich die ARD mit Wiederholungen: Die heutige fünfte Adaption, "Bretonische Flut", hatte ihre TV-Premiere 2017.

Der Titel ist nicht zuletzt eine Anspielung auf Georges Dupins tiefe Abneigung gegen das Meer; deshalb ist es ja so grotesk, dass der Pariser Kommissar ausgerechnet in die Bretagne versetzt worden ist. Bootsfahrten vermeidet er nach Möglichkeit, aber als kurz nacheinander die Leichen zweier junger Frauen gefunden werden, muss er ständig aufs Meer hinaus: Die eine ist in einem Container mit Fischabfällen entsorgt worden, die andere in einem frisch ausgehobenen Grab auf dem Friedhof der nahen Île de Sein. Céline war Fischerin, Laetitia Meeresbiologin, und weil die beiden ein Paar waren, fällt der Verdacht umgehend auf Célines Ex-Freund, zumal sein Messer in Laetitias Wohnung entdeckt wird.

Ein Eifersuchtsmotiv als Ablenkung: Das gab’s auch schon in "Bretonischer Stolz", der vierten Episode. Davon abgesehen ist "Bretonische Flut" jedoch ein völlig anderer Film. Sorgte Jan Georg Schütte als Dupins Mitarbeiter Kaleg zuletzt mit seinen witzigen Auftritten für einige Heiterkeit, ist der Tonfall diesmal auch dank diverser Anleihen beim Horrorfilm deutlich düsterer. Dupin (Pasquale Aleardi) schreckt mehrfach aus einem immer wieder gleichen Albtraum hoch, der schließlich in einen echten Gänsehautmoment mündet; Célines etwas verwirrte Mutter hat ihm seinen Tod prophezeit. Die Frau verleiht dem Film ohnehin einen gewissen Mystery-Touch, zumal auch die Bildgestaltung dafür sorgt, dass die Bretagne hier fast unwirtlich erscheint. Die Gegend ist ohnehin berüchtigt für ihre meteorologischen Kapriolen, aber nun verzichten Thomas Roth (Regie) und Arthur W. Ahrweiler (Kamera), die auch "Bretonischer Stolz" gedreht haben, vollends auf Urlaubsbilder. Die Kameraführung hebt sich dank ungewöhnlicher Blickwinkel (etwa aus dem Grab heraus) und längerer Fahrten, um bei Dialogszenen Schnitte zu vermeiden, ohnehin vom optischen Einerlei vieler Fernsehproduktionen ab.

Darüber hinaus ist es durchaus faszinierend zu beobachten, wie sehr kleine Änderungen genügen, um eine ganz andere Atmosphäre entstehen zu lassen. Auch die Musik der beiden Filme unterscheidet sich deutlich, obwohl sie jeweils von Fabian Römer und Steffen Kaltschmid stammt. In "Bretonische Flut" dominieren die elektronischen Elemente, die Komposition ist dank wuchtiger Streicherpassagen deutlich "hanszimmeriger" und viel stärker auf Thriller getrimmt. Dass sich Dupin angesichts der vielen Fahrten zur Insel ausgesprochen unwohl in seiner Haut fühlt, kommt noch hinzu. Pasquale Aleardi löst diese Szenen auch nicht komödiantisch auf; dem Kommissar ist kotzübel, und das ist nicht komisch. Witzig wird es erst, als er den gleichen Gesichtsausdruck in eine völlig andere Umgebung transferiert und deshalb ein Blick genügt, um zu begreifen, wie angewidert Dupin beim Anblick seines Schnecken verzehrenden Vorgesetzten (Udo Samel) ist.

Die Geschichte ist nicht ganz so komplex wie bei "Bretonischer Stolz" (das von Roth bearbeitete Drehbuch stammt erneut von Clemens Murath). Dafür wird Dupin nun mit einem Gegenspieler konfrontiert, der das Zeug zum echten Kontrahenten hat. Christian Redl spielt einen einflussreichen Großfischer, der als einer der wichtigsten Arbeitgeber der Gegend hohes Ansehen genießt, aber regelmäßig gegen Umweltschutzauflagen und Fischfangquoten verstößt und nebenbei ein florierendes Schmuggelgeschäft betreibt; außerdem war Laetitia seine uneheliche Tochter. Aber es gibt noch eine weitere Ebene, und die ist deutlich reizvoller als die zwischenmenschlichen Verwicklungen: Der Legende nach befindet sich irgendwo vor der bretonischen Küste die versunkene Stadt Ys, in der sich sagenhafte Schätze befinden sollen, und womöglich hat Delfinforscherin Laetitia bei ihren Exkursionen Spuren der Stadt entdeckt.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt es bei diesem ansonsten vorzüglichen Film allerdings doch, wenn auch nur für erfahrene Krimizuschauer: Weil es die Verantwortlichen bei der Besetzung von Nebenrollen allzu oft an der nötigen Fantasie mangeln lassen, tauchen in Krimis und Serien immer wieder die gleichen Verdächtigen auf. Aber das ist in diesem Fall wirklich nur eine Petitesse, zumal das Finale trotzdem angemessen spannend ist.