Der Gottesdienst findet im ökumenischen Zentrum des Würzburger Stadtteils Lengfeld statt. Mit seinem Pfarrerskollegen Stefan Meyer organisiert der evangelische Motorrad-Seelsorger Frank Witzel die Veranstaltung. Die richtet sich zwar zuvorderst an die Biker-Szene - aber nicht nur, sagt Witzel. Auch die Besitzer von Fahrrädern, Kinderwägen, Bobby-Cars, Rollatoren und allem, was sonst noch Räder hat, seien "herzlich willkommen". Bereits diesen Sonntag (29. Juni) ist Witzel bei der Andacht zum "Tag der Autobahnkirchen" um 14 Uhr in Geiselwind an der A3 dabei.
epd: Herr Witzel, landauf landab gibt es in den Sommermonaten Motorrad-Gottesdienste. Wie geht das zusammen, Kirche, Glaube und Biker?
Frank Witzel: Das stimmt, die Biker-Szene findet sich selten in unserer Kirche ein. Da gibt es Milieu-Grenzen. Zugleich gibt es immer wieder Nachfragen nach Motorrad-Gottesdiensten von Bikern an Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer. Dann helfe ich als Biker und Pfarrer für "Kirche an anderen Orten" im Dekanat Würzburg. Viele Biker kommen einmal im Jahr in einen Gottesdienst, nämlich in einen "MoGo". Das ist ähnlich wie bei Traditionalisten, die einmal jährlich an Weihnachten in die Kirche gehen.
Ich bedaure sehr, dass sich die beiden Milieus fremd sind, weil Motorradfahren mit seinen Sehnsuchtsmomenten und Freiheitsbedürfnissen anschlussfähig ist für Themen des Glaubens. Bikerinnen und Biker sind auf ihre eigene Weise auch fromm: Sie bitten nach MoGos oft um ein persönliches Gebet oder Segen.
Die Kirche hat sich den Umwelt- und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben - ist eine Motorrad-Seelsorge da nicht etwas anachronistisch?
Witzel (lacht): Das ist seit Jahren immer wieder Thema - aber wenn man auf die Zahlen guckt, ist es so: Der Anteil der Motorradfahrerinnen und -fahrer am gesamten CO2-Fußabdruck des Verkehrsaufkommens liegt bei gerade einmal 0,3 Prozent. Da relativiert sich manche Kritik also schnell. Zugleich bietet die Motorradfahrer-Kultur ein Lernfeld für die Mensch-Maschine-Umwelt-Einheit in schneller, "automatischer" Reaktionsweise. Was wir beim Motorradfahren individuell üben und erfahren, könnte auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Normalität werden: Die "Ideallinie" vorausschauend, souverän und unfallfrei mit Spaß und guten inneren Gefühlen fahren. Krisen und "kurze Zündschnüre" haben wir schon genug. Im Kleinen wie im Großen brauchen wir reaktionsschnelle "Ideallinien-Kompetenz".
Sie sagen, die Gottesdienste sind inklusiv - aber wie viele Seniorinnen mit Rollatoren und Eltern mit Bobbycar-fahrenden Kindern kommen denn wirklich?
Witzel: Meine grundsätzliche Erfahrung ist, dass es gerade in der Biker-Szene besonders tolerant, menschlich und hilfsbereit zugeht. Aber in der Tat ist Inklusion eine bleibende Aufgabe - und zwar für alle Bereiche in der Kirche und der Gesellschaft! Beim Gottesdienst auf dem Trucker-Festival in Geiselwind in diesem Jahr habe ich selbst erlebt, wie Menschen mit Behinderungen und mit Rollstühlen gut dabei sein können. Letztlich will ich das für unsere ganze Kirche auch! Neben den Organisations- und Transportproblemen gibt es auch hier Milieugrenzen.
Die Biker-Kultur überwindet sie, indem sie zum Beispiel Kinder mit Handicaps in Gespannen mit Beiwagen zu besonderen Anlässen mitnimmt! Mit Diakonin Debora Drexel bereite ich das inklusive Biker-Event in der Christuskirche in Ochsenfurt Ende September vor.