"Evangelische lachen mit Verzögerung"

Lachen mit Verzögerung
© Marcela Rogante/Unsplash
Laut Kabarettist und Theologe Søren Schwesig lachen Evangelische mit Verzögerung.
"Evangelische lachen mit Verzögerung"
Der Kabarettist und Theologe Søren Schwesig über Humor in der Corona-Krise
Seit fast zwanzig Jahren betreiben Stuttgarts evangelischer Stadtdekan Søren Schwesig und der Ulmer Münsterpfarrer Peter Schaal-Ahlers gemeinsam Kirchenkabarett. Als Duo "Die Vorletzten" mussten sie während der Corona-Pandemie pausieren. Warum jetzt wieder die Zeit für leichte Momente ist und wie unterschiedlich in den Konfessionen gelacht wird, erläutert Schwesig im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Herr Dekan Schwesig, gibt es in der Corona-Krise leichte Momente?

Søren Schwesig: Wir haben eine immense Gefährdung des Lebens wahrgenommen und spürten plötzlich die Unverfügbarkeit des Lebens am eigenen Leib, wenn man etwa in der Wohnung eingesperrt war. Die Menschen suchen jetzt geradezu nach leichten Momenten. Eine Pfarrerskollegin von mir im Stuttgarter Westen bietet nun ein "Kulturbiotop" in einer Art Biergarten an - und dieses Angebot boomt, die Menschen strömen dorthin, weil sie dort leichte Momente erleben.

Was hat Sie in der Pandemie-Zeit amüsiert?

Schwesig: Mein erster Gottesdienst, auf den ich mich sehr gefreut hatte: Als ich an den Altar ging und mich rumdrehte, musste ich in mich reinlachen, weil ich dachte, ich wäre in einen Raubüberfall geraten. Da saßen lauter Maskierte!

Die evangelische Kirche gilt nicht gerade als Hort unbändiger Fröhlichkeit. Wie gelingt bei diesem Publikum Kabarett?

Schwesig: Da gibt es tatsächlich konfessionelle Unterschiede. Wenn wir zu Katholiken gehen, lachen die schon, wenn wir auf dem Parkplatz vorfahren. Es ist ein Faszinosum. Evangelische lachen zwar auch, aber immer mit Verzögerung. Unsere Kirche hat nicht die Tradition des Lachens. Als evangelischer Theologe meine ich zwar, Katholiken hätten weniger Grund zum Lachen als Protestanten - tatsächlich ist das Lachen bei ihnen aber mehr zu Hause.

Gibt es bei christlichem Publikum nicht immer den Bedenkenträger, der bei jeder Pointe sagt: "Darüber macht man keine Witze"?

Schwesig: Als Kabarettist muss man das aushalten. Politisch korrekte Witze, bei denen wirklich alle Leute lachen und niemand sich an den Karren gefahren fühlt, will keiner haben. Es ist geradezu das Kennzeichen eines guten Witzes, dass sich Leute auch gestört fühlen. Wir hatten jahrelang ein Stück, in dem ein Chorleiter über seinen überalterten Chor sprach, von dem einige Mitglieder kaum mehr das Wasser halten konnten. Regelmäßig habe ich deshalb kritische Briefe oder E-Mails bekommen. Meine Mutter dagegen, die unter demselben Problem litt und sich immer in der Nähe einer Toilette aufhielt, sagte mir, dass sie darüber herzlich gelacht habe.

Kann Humor dem Glauben helfen?

Schwesig: Ja. Humor ist eine tiefe Äußerung des Menschen. Menschen haben schon immer gelacht. Eine Religion, die den Humor außen vorlässt, ist immer in Gefahr, menschenfeindlich zu werden. Es gibt keinen Grund, Lachen aus der Religion zu verbannen.