TV-Tipp: "Alles inklusive"

Altmodischer Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Alles inklusive"
2.8., ARD, 0.05 Uhr
Eigentlich ist die Geschichte tieftraurig: Jahrelang hat eine Frau um die Anerkennung und die Liebe ihrer Mutter gekämpft. Mittlerweile hat sie den Kampf aufgegeben und sich mit einem Dasein abgefunden, in dem sie ohne Urvertrauen leben muss; ihr einziger Vertrauter ist ein hässlicher Hund, den sie Dr. Freud genannt hat.

Der Vierbeiner, den sie konsequent siezt, ist allerdings ebensowenig lebenstauglich wie sie, weshalb sie ihn meist durch die Gegend trägt. Mit seinen Glubschaugen und der stets ein wenig hervorschauenden Zunge wirkt Dr. Freud zudem alles andere als intelligent; aber er ist ein geduldiger Zuhörer. Schon allein diese Konstellation sorgt dafür, dass "Alles inklusive" gar kein Drama werden kann, zumal Nadja Uhl eine wunderbare Gratwanderung zwischen Parodie und Tragödie gelingt. Natürlich ist diese Neurotikerin, die auch noch den Hippie-Namen Apple trägt, bislang stets an die falschen Männer geraten. Als Dr. Freud unter Hüftschmerzen leidet, lernt sie einen Tierarzt (Fabian Hinrichs) kennen, dem sie gleich beim ersten Rendezvous ihr ganzes Leben offenbart; kein Wunder, dass der Mann irgendwann keine Lust mehr hat.

Gegenentwurf zu Apple ist die Frau, der sie ihr verkorkstes Dasein zu verdanken hat: Ingrid (Hannelore Elsner) hat die besten Jahre ihres Lebens als Schmuckverkäuferin am Strand von Torremolinos verbracht und das Leben genossen; zwischen Drogen und Sex war nicht viel Zeit für die kleine Tochter. Wie dieser unstete Lebenswandel weitergegangen und Apple doch noch zu einer geregelten Ausbildung gekommen ist, lässt Doris Dörrie in der Verfilmung ihres eigenen Romans offen. Heute verdient Apple als Technikerin beim Hörfunk immerhin genug, um Ingrid irgendwie durchfüttern zu können; bis sie den Job verliert, weil eine überkandidelte Redakteurin (Juliane Köhler) petzt, dass sie den Hund mit ins Studio bringt.

Mutter Ingrid ist derweil nach einer Hüftoperation zur Erholung an den Ort ihrer Jugend zurückgekehrt, und wie der Zufall so spielt, läuft ihr im Hotel prompt jemand über den Weg, der ihr gegenüber noch mehr Verbitterung verspürt als Apple: Ende der Siebziger hatte sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, dessen Frau sich bald darauf das Leben genommen hat. Der kleine Tim von damals nennt sich heute Tina (Hinnerk Schönemann) und verdient sein Geld tagsüber als Fußpflegerin und abends als Travestiekünstlerin. Auch sein Vater (Peter Striebeck) lebt wieder in der andalusischen Urlaubsstadt, und so kommt es zu einem unverhofften Wiedersehen des einstigen Liebespaares. Als schließlich auch noch Apple in Torremolinos eintrifft, ist die "Familie" komplett.

Bildgestalterisch ist "Alles inklusive" nicht weiter bemerkenswert, sieht man davon ab, dass die Rückblenden in die späten Siebziger wie alte Super-8-Aufnahmen aussehen; Hanno Lentz hat seit "Kirschblüten" (2007) bei allen Spielfilmen Dörries die Kamera geführt. Auch das erzählerische Konzept ist nicht originell: Der Film springt episodisch zwischen den beiden weiblichen Hauptfiguren hin und her. Darstellerisch aber ist die Tragikomödie ein Fest, zumal die Regisseurin selbst für kleinste Rollen prominente Schauspieler gewinnen konnte. Den jungen Karl zum Beispiel, der praktisch keinen Dialog hat, spielt Robert Stadlober. In jeder Hinsicht reizvoller ist die Besetzung der jungen Ingrid mit Natalia Avelon. Das passt perfekt, schließlich ist sie 2007 durch ihre Verkörperung des Hippie-Idols Uschi Obermaier ("Das wilde Leben") bekannt geworden.

Zum Ensemble gehört außerdem noch Axel Prahl als blondierter Krankenpfleger Helmut aus Berlin, der Ingrid nach allen Regeln der Urlaubsflirtkunst anbaggert und auch vor grotesken Auftritten nicht zurückschreckt, wenn Helmut mit einer Badehose, für die er dreißig Jahre zu alt und vierzig Kilo zu schwer ist, vor Ingrid herumscharwenzelt, oder wenn die beiden eine skurrile gesangliche Sexszene absolvieren. Die kleinen und großen Geschichten, die Dörrie miteinander verknüpft, sind nicht immer aufregend, und im Roman (erschienen bei Diogenes) ist der Handlungsfluss flüssiger; aber Nadja Uhl und vor allem Hinnerk Schönemann sind großartig.