TV-Tipp: "Einmal Sohn, immer Sohn"

Altmodischer Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Einmal Sohn, immer Sohn"
1.8., ARD, 20.15 Uhr
Als Christiane Hörbiger 2018 achtzig Jahre alt geworden ist, haben ARD und ZDF diesen Anlass mit zwei Werken gewürdigt. Das "Zweite" zeigte "Die Muse des Mörders", einen cleveren Krimi mit Hörbiger als ehemalige Bestsellerautorin, deren Bücher einem Serienkiller als Vorlage für seine Morde dienen. Der Film war spannend und dank seines schwarzen Humors auch ziemlich finster.

Die ARD setzte mit einer Komödie, die das "Erste" heute wiederholt, auf Gegenprogramm: "Einmal Sohn, immer Sohn" ist eine amüsante Geschichte mit Sebastian Bezzel als Sohn einer Ikone der Frauenbewegung (natürlich Hörbiger). Der Titel ist ein bisschen langweilig; für den Film gilt das zwar nicht, aber anders als der Krimi ist er auch nicht der große Wurf geworden, der möglich gewesen wäre. Das liegt in diesem Fall ausgerechnet an der Hauptdarstellerin: Während Hörbigers typische, aber wohldosiert dargebotene schauspielerische Eigenheiten als "Muse des Mörders" einen reizvollen Kontrast zur düsteren Handlung darstellten, darf sie die unverwechselbaren Merkmale nun allzu sehr pflegen.

Komödien leben zwar auch von der Übertreibung, aber das wäre in diesem Fall gar nicht nötig gewesen, weil die Geschichte nicht zuletzt wegen ihrer satirischen Seitenhiebe auf die Frauenbewegung auch so funktionieren würde: Lilo Maertens ist im Grunde eine einsame alte Frau, weil sie die Menschen in ihrer Umgebung offenbar seit jeher zu verletzen pflegt. Ihr Sohn Ruben hat den Kontakt daher schon lange aufs Nötigste beschränkt, zumal jede Begegnung zwischen seiner Mutter und seiner Gattin Jutta (Julia Brendler) zu einem Kleinkrieg ausartet; Lilo hat keinerlei Verständnis dafür, dass Jutta einst ihr Jurastudium abgebrochen hat, um sich ganz ihrer Familie zu widmen. Aber nun ist die alte Frau auf Hilfe angewiesen: Bei einer Augenoperation hat es Komplikationen gegeben, sie ist vorübergehend blind, und weil ihre vermeintlichen Freunde entweder längst verstorben sind oder es nicht lange mit ihr aushalten, nimmt Ruben die Mutter vorübergehend zu sich. Juttas Begeisterung hält sich naturgemäß in Grenzen. Der einzige, der mit der alten Kratzbürste klar kommt, ist Enkel Finn (Michelangelo Fortuzzi).

Der Film versorgt die Hauptdarstellerin mit angemessen boshaften Dialogen, und weil Jutta die Gemeinheiten der Schwiegermutter nicht auf sich sitzen lässt, fliegen die Giftpfeile munter hin und her. Gleiches gilt für die Auseinandersetzungen Lilos mit ihrer Nachfolgerin: Angela (Jasmin Gerat) gilt immer noch als ihre Assistentin, dabei leitet sie längst die Geschicke der Frauenzeitschrift "Lilo". In dieser Hinsicht erfüllt das Drehbuch von Hardi Sturm und Lothar Kurzawa alle Erwartungen. Damit sich das Publikum trotzdem mit Lilo anfreunden kann, muss die Figur natürlich eine Wandlung durchmachen, und ausgerechnet dieser Prozess ist nicht plausibel: Als ihr Augenlicht längst zurückgekehrt ist, bleibt sie trotzdem bei Ruben, um der kriselnden Familie zurück zum Glück zu helfen. Das ist natürlich aller Ehren wert, aber der Sinneswandel vollzieht sich allzu plötzlich, schließlich hat diese streitsüchtige Frau, die an allem und jedem was zu meckern hat, in den letzten achtzig Jahren nur an sich gedacht; sollte sie einen inneren Konflikt erleben, so wird er zumindest nicht sichtbar.

Davon abgesehen ist diese Ebene jedoch plausibel eingefädelt: Ruben ist Architekt und ein begabter Brückenbauer. Für sein jüngstes und überaus ehrgeiziges Projekt braucht er jedoch einen potenten Partner, zumal er wegen einiger unverschuldeter Unpässlichkeiten bei seiner Bank tief in der Kreide steht. Seiner Frau hat er davon nichts erzählt, um sie nicht zu beunruhigen. Die Gattin hat ebenfalls ein Geheimnis: Sie versichert Lilo zwar, das Dasein als Hausfrau fülle sie aus, dabei arbeitet sie schon seit Monaten heimlich für einen einstigen Kommilitonen (Robin Sondermann); prompt mutmaßt Lilo, die beiden hätten eine Affäre. Auch Finn bekommt einen eigenen Erzählstrang: Er spielt den Romeo in einem Stück seiner Theater-AG, und jeder kann sehen, dass seine "Julia" (Nadika Mohn) mehr in ihm sieht als nur den Bühnenpartner; bloß er selbst kriegt’s nicht mit, weshalb Lilo ihn prompt für schwul hält.

Regisseur Thomas Jauch bettet die Handlung in einen munteren Fluss; die Schauspieler haben spürbar Spaß an der Geschichte und ihren Figuren. Außerdem wurden neben Jasmin Gerat noch weitere prominente Gäste engagiert. Hannes Jaenicke ist an die Minirolle als Augenarzt zwar verschwendet, aber umso schöner sind die Auftritte von Mario Adorf als Star-Architekt. Lilo bittet ihn,  Ruben zu unterstützen, aber der will sein Projekt ohne "Vitamin B" realisieren; eher zerstört er das Brückenmodell, bevor er die Hilfe seiner Mutter annimmt. Dass sich am Ende ausnahmslos alles zum Guten wendet, ist zwar viel zu schön, um wahr zu sein, aber anders als Lilos unverhoffte Wandlung plausibel erzählt. Adorf und Hörbiger, die in dem 2012 ausgestrahlten Fernsehfilm "Die lange Welle hinterm Kiel" zum ersten Mal zusammen vor der Kamera standen, haben zwar nicht viele gemeinsame Szenen, aber dennoch wird deutlich, dass der deutschsprachige Film nicht mehr viele solcher herausragenden Persönlichkeiten zu bieten hat.