TV-Tipp: "Fahrenheit 11/9" (ZDF)

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TV-Tipp: "Fahrenheit 11/9" (ZDF)
1.7., ZDF, 0.35 Uhr
Kein Dokumentarfilmer ist so bekannt wie der amerikanische "Oscar"-Preisträger Michael Moore, aber keiner ist auch so umstritten: weil er unverhohlen Stellung bezieht und dabei Positionen vertritt, die nicht allen passen.

Dabei versteht er sich durchaus als Vertreter der Mehrheit, wie er in "Fahrenheit 11/9" verdeutlicht, schließlich seien viele jener Forderungen, die noch vor fünfzig Jahren als linksradikal eingestuft worden seien, längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen; unter anderem Umweltschutz, Abtreibung und die Legalisierung von Marihuana. Entsprechende Statistiken bleibt Moore zwar schuldig, aber er ist ja auch kein Journalist; selbst wenn er sich in Werken wie "Roger & Me", "Bowling for Columbine" oder "Fahrenheit 9/11" als Reporter präsentiert und den Filmen dadurch einen journalistischen Anstrich gegeben hat.

Moores Arbeiten waren immer schon wütende Pamphlete, allerdings mit großem Unterhaltungswert; der resultiert in der Regel aus den vielen Spielfilmausschnitten, die er gern einsetzt, um Vorgänge zu kommentieren oder zu karikieren. Mittlerweile ist Moore im Rentenalter; er gibt sich zwar immer noch kämpferisch, aber "Fahrenheit 11/9", wie schon "Michael Moore in TrumpLand" eine Abrechnung mit dem Amerika von Donald Trump, hat eine unübersehbare resignative Note. Der 2018 entstandene Film ist eine zornige Collage, die größtenteils aus TV-Ausschnitten besteht, aber die Anklage gilt keineswegs nur dem amtierenden US-Präsidenten, sondern dem gesamten politischen Establishment. Das schließt auch Trumps Vorgänger Barack Obama und Bill Clinton mit ein; Moore macht sie dafür verantwortlich, dass viele Wähler den Glauben an die Demokratie verloren haben.

Der Film beginnt im Dezember 2016 mit Bildern der siegesgewissen Anhänger von Hillary Clinton, deren Gesichter allerdings immer länger werden. Der Prolog endet mit der Frage, wie es soweit kommen konnte. Die Antwort führt in Moores Heimatstadt Flint in Michigan, und streckenweise hat es den Anschein, als habe der Dokumentarfilmer vor allem diese Geschichte erzählen wollen: Früher hat die einstige General-Motors-Stadt ihr Trinkwasser aus dem Lake Huron bekommen, aber eines Tages hat der republikanische Gouverneur des Staates die Wasserversorgung umgestellt. Nun mussten die Menschen bleihaltiges Wasser aus dem Fluss trinken, und da sie zu arm waren, um wegziehen zu können, sind viele krank geworden; Moore spricht in diesem Zusammenhang von "Ethnischer Säuberung", weil die Einwohner von Flint überwiegend Schwarze sind. Das Thema veranlasste schließlich sogar Obama, nach Flint zu kommen. Laut Moores Darstellung hat ein Hoffnungsträger die Menschen selten so enttäuscht.

Mit Donald Trump hat das natürlich nur allenfalls indirekt zu tun; entsprechend schwer tut sich Moore, diesen Nebenschauplatz harmonisch in seine Abrechnung mit der Politik aus Washington zu integrieren. Zwischendurch wandelt sich der Film zur Hommage an verschiedene Graswurzelbewegungen; den besonderen Respekt des Filmemachers genießen dabei die Teenager aus einer High School in Parkland (Florida), die nach einem Amoklauf öffentlichkeitswirksam eine Verschärfung der Waffengesetze gefordert haben. Die Schülerin Emma González wurde durch ihre emotionale Rede in Washington zu einer Internet-Ikone; ihr Schweigen bildet das letzte Wort des Films. Vorher wird Moore allerdings noch seinem Ruf gerecht und reist neunzig Jahre in die Vergangenheit zurück, als sich die Öffentlichkeit schon einmal nicht vorstellen konnte, dass ein Autokrat all’ das umsetzen würde, was er vorher angekündigt hatte. Trump ist nicht Hitler, Amerika nicht Weimar? Moore sieht das anders, und auch dafür finden sich viele TV-Schnipsel. Das letzte Glied seiner Beweiskette bildet ein Schulfilm aus den Fünfzigerjahren, der anhand verschiedener Punkte verdeutlicht, wann sich eine Demokratie schleichend in eine Diktatur verwandelt. Trumps Amerika erfüllt sämtliche Bedingungen.