TV-Tipp: "Tatort: Gestern war kein Tag"

Altmodischer Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Gestern war kein Tag"
2.6., BR, 20.15 Uhr
Es liegt in der Natur der Krankheit, dass ein dementer Mensch als Zeuge eines Verbrechens nur bedingt zuverlässig ist. Gleiches gilt für sein Geständnis: Wer prompt vergisst, was sich soeben ereignet hat, ist zwangsläufig nicht glaubwürdig, wenn er einen Mord gesteht; es sei denn natürlich, die Demenz ist bloß simuliert.

Aber das ist nur die eine Seite des Drehbuchs von Pim Richter und Daniela Mohr, die die Marke "Tatort" nutzen, um eine Geschichte über Altersdemenz und Pflegenotstand erzählen. Das funktioniert, weil "Gestern war kein Tag" (eine Wiederholung aus dem Jahr 2011) dennoch stets Krimi bleibt: Die Relevanz der Handlung rückt zwar immer wieder in den Vordergrund, aber die handelnden Personen müssen keine Plädoyers halten, in denen sie wortreich auf die skandalösen Missstände des Gesundheitssystems hinweisen.

Ohnehin verzögert das Autorenpaar mit Geschick, was der Motor der Handlung ist. Allein die Demenz spielt von Anfang an eine entscheidende Rolle: Der Sohn von Glaser Lasinger (Günther Maria Halmer) ist erschlagen worden. Der Alte gesteht die Tat, klingt aber wenig überzeugend. Kommissar Leitmayr (Udo Wachtveitl) nimmt ihn trotzdem ins Kreuzverhör: "Die Waffen der Alten sind ihre Krankheiten". Als er auf diese Weise nicht weiterkommt, ist er sicher, die gesamte Familie (als nur bedingt trauernde Witwe: Johanna Gastdorf) verstecke sich hinter Lasingers Vergesslichkeit.

Mit der illegal beschäftigten bulgarischen Pflegekraft Dana (Vesela Kazakova) gibt es eine weitere Verdächtige, denn sie hatte Streit mit Lasinger junior. Tatsächlich gesteht sie die Tat, was jedoch nur dazu führt, dass auch Lasingers Enkel (Kai Malina) ein Geständnis ablegt. Drei Mörder, aber nur eine Leiche: Der Fall wird immer verzwickter. Außerdem ist völlig ungeklärt, welche Rolle Anwalt Roggendorf (Jürgen Tarrach) spielt. Fest steht allerdings recht bald, dass der Tote zu Lebzeiten zwar Hartz-IV-Kandidat war, aber in Saus und Braus gelebt ha: weil er als Krisengewinnler auf ganz miese Weise Kapital aus dem Pflegenotstand schlug.

Christian Görlitz inszeniert die Geschichte, die ja durchaus tragisches Potenzial hat, nie als Tragödie, im Gegenteil; manche Szene gerade mit Halmer ist sogar komisch, zumal man sich gemeinsam mit den Kommissaren in der Tat nie sicher sein kann, ob Lasinger, der alte Spitzbube, sie nicht doch bloß alle an der Nase rumführt. Halmer spielt diese Gratwanderung zwischen Bauernschläue und Hilflosigkeit ganz wunderbar, aber auch die anderen Rollen sind ausnahmslos sehr treffend besetzt. Seinen Reiz bezieht der Krimi auch aus dem Spiel, dass das Drehbuch mit dem Publikum treibt: weil man glaubt, den Kommissaren einen Schritt voraus zu sein. Um so verblüffender ist schließlich die Auflösung.