TV-Tipp: "Tatort: Das fleißige Lieschen"

Altmodischer Fernsehapparat steht auf Tisch.
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Das fleißige Lieschen"
13.4., ARD, 20.15 Uhr
Die Ermittler aus Saarbrücken mussten innerhalb der "Tatort"-Familie stets mit dem Katzentisch vorlieb nehmen. Das hatte sicher auch mit dem Ausstrahlungsmodus zu tun: Der winzige Saarländische Rundfunk (SR) kann sich nur einen Sonntagskrimi pro Jahr leisten. Aber auch die Kommissare konnten sich nie so recht etablieren, obwohl zum Beispiel der radelnde Max Palu (Jochen Senf) immerhin 17 Jahre lang ermittelt hat. Seine Nachfolger wurden zudem von namhaften Schauspielern wie Maximilian Brückner (2006 bis 2012, sieben Filme) und Devid Striesow (2013 bis 2019, acht Filme) verkörpert, aber auch sie haben im kollektiven Gedächtnis der "Tatort"-Gemeinde vermutlich keine nennenswerten Spuren hinterlassen. Angesichts zumindest des ersten Films mit dem neuen Team muss man kein Prophet sein, um zu ahnen: Vladimir Burlakov und Daniel Sträßer wird es nicht viel besser ergehen; und das hat nicht nur, aber auch mit den Hauptdarstellern zu tun.

"Das fleißige Lieschen" beginnt mit einer Familienfeier: Der uralte Patriarch Bernhard Hofer (Dieter Schaad), seit Menschengedenken Leiter eines Saarbrücker Traditionsunternehmens, legt die Geschicke der Firma in die Hände eines Enkels. Die Wahl fällt jedoch nicht etwa auf den älteren Konrad (Moritz Führmann), die Seele des Betriebs, sondern auf den ehrgeizigen Erik (Gabriel Raab). Es kommt zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen den Brüdern. Als am nächsten Tag Eriks Leiche gefunden wird, gilt Konrad selbstredend als mordverdächtig. Weil der jüngste Hofer aber genauso verhasst war wie sein Großvater, hätten viele Menschen ein Motiv, allen voran ein zwielichtiger Wettbürobetreiber mit Kampfhund; eine Rolle, die Robert Galinowski im Schlaf beherrscht.

So weit, so überschaubar; aber dann beginnt Hendrik Hölzemann, die Handlung zu überfrachten. Der Autor hat für den SR bereits "Mord Ex Machina" (2018) geschrieben, einen aufwändig gestalteten "Tatort" über das "Internet der Dinge", der nicht zuletzt dank der Inszenierung durch Christian Theede ein fesselnder Krimi war. Die beiden haben auch bei "Das fleißige Lieschen" zusammengearbeitet, aber diesmal ist das Ergebnis nur selten fesselnd, zumal die Geschichte ziemlich überfrachtet wirkt. Im Vordergrund der kriminalistischen Ebene steht zunächst die familiäre Tragödie, weil der Patriarchen den aus seiner Sicht "entarteten" homosexuellen Konrad regelrecht hasst. Der alte Hofer ist nicht nur Familientyrann, sondern auch bekennender Herrenmensch. Durch die übertriebene Verkörperung durch Dieter Schaad gerät die Figur allerdings zur Karikatur, weshalb sie nicht mehr bedrohlich, sondern nur noch lächerlich wirkt. Die Recherchen der Ermittler führen schließlich zurück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als das Unternehmen Zwangsarbeiter beschäftigte und der damals noch junge Hofer seine despotischen Neigungen ungestraft ausleben konnte.

Im Grunde ist das Stoff genug für einen Krimi, aber Hölzemann, dessen Debüt als Autor und Regisseur 2005 das sehenswerte Drama "Kammerflimmern" war (mit Matthias Schweighöfer als junger Rettungssanitäter), muss ja auch noch die beiden Kommissare etablieren; und das ist das eigentliche Problem des Films. Die Grundidee ist eigentlich nicht schlecht, zumal Hauptkommissar Adam Schürk (Sträßer) auf ungewöhnliche Weise eingeführt wird: Als er im Bus Zeuge wird, wie ein Erwachsener einen kleinen Jungen nach Strich und Faden fertigmacht, nutzt er eine Gelegenheit, um dem Mann eine Abreibung zu verpassen. Später reicht Hölzemann in Rückblenden nach, warum der Polizist so sensibel auf Ungerechtigkeiten dieser Art reagiert: Sein Vater (Torsten Michaelis) wollte offenbar eine Art Elitesoldat aus Adam machen und hat ihn regelmäßig verprügelt, wenn ihn der Junge wieder mal enttäuscht hat. Sein bester Freund von damals ist nun, als Adam nach vielen Jahren in der Fremde in die alte Heimat zurückkehrt, sein neuer Chef. Leo Hölzer (Burlakov) ist ebenfalls eine Figur mit seelischen Blessuren: Aufgrund eines lange zurückliegenden traumatischen Erlebnisses ist er nicht in der Lage, auf Menschen zu schießen; die Erklärung dieses Traumas ist eine der wenigen Überraschungen des Films.

Aus diesem Konglomerat diverser Handlungsstränge hätte sich dennoch ein sehenswerter Krimi machen lassen, wenn Theede seine Darsteller anders geführt hätte. Sträßer zum Beispiel muss seinen Adam ständig mit grimmigem Blick und aufeinandergepressten Kiefern versehen; der Theaterschauspieler hat unter anderem in der Charlotte-Link-Adaption "Die Betrogene" eine Nebenfigur als typischen Filmpsychopathen verkörpert. Der ungleich kameraerfahrene Burlakov – sein Durchbruch war einst das erschütternde Gefängnisdrama "Marco W. – 247 Tage im türkischen Gefängnis" (2011, Sat.1) – interpretiert seine Rolle deutlich zurückhaltender; ähnlich differenziert hat der gebürtige Moskauer zuletzt unter anderem in dem Stalking-Drama "Dein Leben gehört mir" (2019, Sat.1) agiert. Die beiden Frauen im Ermittlerquartett (Brigitte Urhausen, Ines Marie Westernströer) sind dagegen nur Stichwortgeberinnen. Immerhin müssen die Darstellerinnen im Unterschied zu einigen ihrer männlichen Kollegen nicht rumschreien; aber wenn sich Hölzer und Schürk gegenseitig "grimmig anfunkeln", wie es womöglich im Drehbuch hieß, ist das auch nicht überzeugender. Wenigstens lassen sich die beiden gut auseinander halten; die Rückblenden in die Jugend der beiden Polizisten lassen zunächst völlig offen, wer wer ist.