Angela Merkel zu Coronavirus: Es geht um das Gewinnen von Zeit

Angela Merkel
© Michael Kappeler/dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach bei einer Pressekonferenz zur Entwicklung beim Coronavirus.
Angela Merkel zu Coronavirus: Es geht um das Gewinnen von Zeit
Nach immer mehr Corona-Fällen in Deutschland appelliert Kanzlerin Merkel an die Bürger, auch im Alltag Verantwortung zu tragen. Ältere und chronisch Kranke müssten von allen geschützt werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bevölkerung in Deutschland zum gemeinsamen Einsatz gegen die Verbreitung des Coronavirus aufgerufen. "Es geht um das Gewinnen von Zeit", sagte sie am Mittwoch in Berlin, als sie sich im Haus der Bundespressekonferenz den Fragen der Hauptstadtjournalisten stellte. Sie verwies darauf, dass es gegen den Erreger noch keine Impfung und Therapie gebe. Bund, Länder und Kommunen sowie alle 83 Millionen Menschen in Deutschland müssten deshalb alle Kräfte einsetzen, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet werde.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wiederholte seinen Appell für einen Verzicht auf Großveranstaltungen, Fußballspiele oder Clubbesuche. Der Minister wies zudem darauf hin, dass Mundschutz und Desinfektionsmittel "für den Hausgebrauch nicht notwendig" seien, um eine Ansteckung mit dem Coronavirus zu vermeiden. Es reiche das intensive Händewaschen mit Seife. Er sprach sich ferner gegen flächendeckende Schulschließungen aus und gab zu bedenken, dass es nicht zielführend sei, wenn infolge einer solchen Maßnahme Kinder von den Großeltern betreut werden müssten. 

Es gehe um den Schutz von älteren Menschen und von Menschen mit Vorerkrankungen, betonte Merkel: "Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen." Auch mit Blick auf Hamsterkäufe mahnte sie "Maß und Mitte" an.

Der Europäische Rat hatte sich am Dienstagabend wegen des Coronavirus zur ersten Videokonferenz seiner Geschichte zusammengeschaltet. "Das Virus ist in Europa angelangt. Es ist da. Das müssen wir alle verstehen", sagte Merkel. Die EU-Staaten wollten gemeinsam und solidarisch mit den Folgen umgehen. Es gehe nicht darum, "dass wir uns in Europa voneinander abschotten", betonte die Kanzlerin. Zusammen mit Spahn erteilte sie Grenzschließungen eine Absage.

Merkel ergänzte zudem, die kürzlich beschlossenen Ausfuhrbeschränkungen für Produkte wie Atemmasken bedeuteten nicht, "dass wir nichts mehr exportieren". Man wolle aber wissen, dass es in die richtigen Hände komme. Spahn sagte, vor der Regelung hätten Händler mit Geldkoffern bei den Firmen gestanden. Dabei sei es nicht um die medizinische Notwendigkeit gegangen, sondern darum, wer am meisten zahle.

Die Bundeskanzlerin äußerte sich auch zuversichtlich über die soziale Absicherung. Deutschland habe gute Sicherungssysteme, die als automatische Stabilisatoren wirkten, sagte sie. Die Bundesagentur für Arbeit habe hohe Rücklagen, aus denen mit dem Kurzarbeitergeld reagiert werden könne. Merkel erklärte zudem, es solle alles Notwendige getan werden, um der Wirtschaft zu helfen. Besonders betroffen seien die Veranstaltungsbranche sowie Hotels und Gastronomie.

Der Koalitionsausschuss von CDU, SPD und CSU hatte zu Wochenbeginn bereits Hilfen angesichts der Krise durch die Virus-Infektionen beschlossen. Der Krisenstab der Bundesregierung forderte am Dienstag die Bundesländer auf, Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit zu erlassen, um Versorgungsengpässen entgegenzuwirken.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte am Mittwoch weitere Entlastungen für das Gesundheits- und Sozialsystem. Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen könnten das Kurzarbeitergeld nicht in Anspruch nehmen, sagte er. Zugleich würden sie aber mit Mehrkosten unter anderem durch die Verschiebung von Operationen, Ersatz für erkrankte Mitarbeiter und die Absage von Kuren konfrontiert.

Spahn sagte, das Gesundheitssystem in Deutschland sei gut bis sehr gut ausgestattet. Es gebe 28.000 Intensivbetten, 25.000 davon mit Beatmungsmöglichkeit. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, erklärte, es werde infolge der Virusverbreitung mehr Menschen mit schweren Atemwegserkrankungen und Lungenentzündungen geben.