TV-Tipp: "Tatort: Das perfekte Verbrechen" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Das perfekte Verbrechen" (ARD)
15.3., ARD, 20.15 Uhr
Als eine Jurastudentin das Gelände der juristischen Fakultät überquert, wird sie von einer Gewehrkugel im Kopf getroffen; einige Tage später erliegt sie ihren Verletzungen. Der Fall ist ein völliges Rätsel. Wochen später kommt ein furchtbarer Verdacht auf.

Zwei junge Dozenten der Rechtsphilosophie haben während eines Seminars die These vertreten, dass es unmöglich sei, einen Mord aufzuklären, wenn der Täter seine Tat ohne Motiv begangen habe und die Tatwaffe unauffindbar sei – das perfekte Verbrechen. Was wie eine typische Krimistory klingt, hat sich 1997 in Rom zugetragen; die beiden Dozenten wurden schließlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

Michael Comtesse hat sich durch die Ereignisse zu einem Drehbuch inspirieren lassen, dass die authentischen Vorfälle mit Anleihen bei dem Film "The Skulls" (2000) anreichert. Ähnlich wie in seinem "Tatort" geht es in dem Hollywood-Thriller um einen ursprünglich von Jurastudenten gegründeten Geheimbund, der sich zu einem mächtigen Netzwerk entwickelt hat. Wer hier Mitglied werden will, muss diverse Herausforderungen bewältigen. Hauptfigur von Comtesses Geschichte ist Benjamin Renz (Anton von Lucke), ein junger Mann aus Verhältnissen, die im Vergleich zur Herkunft der weiteren Mitglieder des ausschließlich Männern vorbehaltenen Colloquiums eher ärmlich sind. Dass er die exquisite und entsprechend teure private Berliner School of Law am Gendarmenmarkt besuchen darf, hat er einem Stipendium und seinem Ehrgeiz zu verdanken. Entsprechend groß ist sein Bestreben, in den erlauchten Kreis aufgenommen zu werden.

Als eine offenbar willkürlich ausgewählte Kommilitonin vor dem Eingang zum Hochschulgebäude von einem Heckenschützen erschossen wird, braucht das Ermittlerduo Karow und Rubin (Mark Waschke, Meret Becker) nicht lange, um festzustellen, wo der Mörder gestanden hat: in einem Raum, der für den Club reserviert ist. Erst findet sich die Videoaufnahme eines Vortrags, den Benjamin über das perfekte Verbrechen gehalten, dann ein auf eins der Clubmitglieder angemeldetes Jagdgewehr; der junge Besitzer hat jedoch ein Alibi. Er wohnt gemeinsam mit den anderen in einer mondänen Grunewald-Villa, jeder Hausbewohner hat Zugang zu seinem Waffenschrank, aber weil sie eisern schweigen, laufen die Ermittlungen ins Leere. Karow wird klar, dass die Studenten ein perfides Spiel mit der Polizei treiben; die Ermittler finden stets bloß das, was sie finden sollen. Es gibt nur eine Chance: Wenn der Gruppe nicht mit legalen Mitteln beizukommen ist, müssen eben illegale Wege beschritten werden.

Die Handlung hat offenkundige Bezüge zu Friedrich Nietzsches "Wille zur Macht" sowie zum Gedankenspiel des "Gefangenen-Dilemmas"; beide Theoreme haben immer wieder Filmfiguren dazu animiert, den perfekten Mord zu begehen (ein Vorbild für viele: der Hitchcock-Klassiker "Cocktail für eine Leiche", 1948). Das klingt allzu abstrakt, aber Comtesse und Regisseurin Brigitte Maria Bertele haben einen interessanten Mittelweg gefunden: Der "Tatort" orientiert sich auch dank der Thriller-Musik (Sven Rossenbach, Florian van Volxem) durchaus an üblichen Krimikonventionen. Interessanter und auch glaubwürdiger als eine waghalsige Fassadenkletterei Rubins, die sich Zutritt zum Clubhaus verschafft, um Wanzen anzubringen, ist die persönliche Involviertheit Karows: Der Hauptkommissar hat einst ebenfalls Jura studiert und damals ein lukratives Karriereangebot ausgeschlagen, um zur Polizei zu gehen. Sein Förderer, eine juristische Koryphäe, bedauert das heute noch; Professor Richard Liere ist nicht nur der Vater einer der angehenden Juristen, sondern zudem Gründer der Schule wie auch des Geheimbunds, was ihn automatisch zum Gegenspieler macht.

Peter Kurth verkörpert diesen Mann mit all’ seiner Präsenz, steht damit aber auch unfreiwillig für ein Manko des Films: Die Szenen mit Benjamin und seinen Eltern wirken, als hätten sich die drei Darsteller erst am Drehtag kennengelernt, und einige der jungen Darsteller sind teilweise überfordert; wenn ihre Dialoge juristisch komplex werden, klingen sie prompt auswendig gelernt. Für Franz Pätzold (er spielt den Waffenbesitzer) gilt das allerdings nicht; er hinterlässt schon allein durch seine volltönende Stimme einen bleibenden Eindruck. Etwas überspannt muten dagegen einige Rahmenelemente an. Der Mummenschanz zum Beispiel, den das Colloquium treibt, als Benjamin im Rahmen eines Rituals in den Bund aufgenommen werden soll, erinnert an entsprechende Szenen aus "Babylon Berlin".

Sehenswert ist der "Tatort" trotzdem, zumal Comtesse und Bertele ohnehin für herausragende Fernsehqualität stehen. Der Autor hat gemeinsam mit wechselnden Partnern die Drehbücher zu einigen vorzüglichen Sonntagskrimis geschrieben, darunter zuletzt "Wir kriegen euch alle": In dem spannenden "Tatort" aus München ermordete ein Weihnachtsmann Menschen, die sich an ihren Kindern vergangen haben. Für die Berliner war Comtesse maßgeblich an "Dein Name sei Harbinger" beteiligt, einem fesselnden Krimi über den freien Willen mit Christoph Bach als Einsiedler in der Unterwelt. Bertele ist für "Nacht vor Augen" (2008) und "Grenzgang" (2013) jeweils mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden und hat im Herbst 2019 mit dem Dienstjubiläum von Lena Odenthal, "Die Pfalz von oben", ihr "Tatort"-Debüt gefeiert.