TV-Tipp: "Hattinger und die kalte Hand" (3sat)

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TV-Tipp: "Hattinger und die kalte Hand" (3sat)
10.12., 3sat, 20.15 Uhr
Schlicht "Chiemsee Blues" heißt der Roman, auf dem dieser Film basiert, aber der Titel der TV-Adaption, zudem mit dem Zusatz "Ein Chiemseekrimi" versehen, ist ein klares Reihensignal. Allerdings hat das ZDF bislang erst einen zweiten "Chiemsee-Krimi" gezeigt.

Dabei ist die Hauptfigur wie geschaffen für weitere Geschichten; nicht so sehr, weil es nach dem Ende des Films noch offene Rechnungen oder Andeutungen auf weitere Leichen in irgendwelchen Kellern gibt, sondern vor allem, weil Michael Fitz diesem oberbayrischen Kommissar bei aller Sympathie auch eine gewisse Unleidlichkeit mitgibt. Fitz ist ohnehin kein schauspielerisches Chamäleon, weshalb der Hattinger eine gewisse Verwandtschaft zum Münchner Menzinger ("Tatort") oder zu dem Fischzüchter aus der Degeto-Reihe "Der Schwarzwaldhof" aufweist. Mittlerweile spielt er eine ganz ähnliche Rolle in der ZDF-Reihe "Die Toten von Salzburg".

3sat wiederholt heute noch mal den ersten Film aus dem Jahr 2013. Das Drehbuch stammt von Ariela Bogenberger ("Marias letzte Reise"); Autor des Romans ist ihr Mann Thomas, Fitz ist ihr Cousin. In verwandtschaftlicher Hinsicht völlig unverdächtig ist dagegen Regisseur Hans Steinbichler ("Hierankl", "Winterreise"), bei dem Geschichten mit einer gewissen Abgründigkeit immer in den besten Händen sind; außerdem ist er Chiemgauer. Sein Chiemsee-Krimi hat sogar einen ziemlich schauerlichen Abgrund zu bieten, und selbstredend speist sich das Grauen auch aus dem Gegensatz zwischen pittoresker Sommerlandschaft und illustrer Mordlust. Dass man von Anfang an weiß, wer hier sein Unwesen treibt, tut der Faszination keinen Abbruch, zumal der Mörder allem Anschein nach ein unscheinbares Dasein in spießbürgerlicher Alltagseintönigkeit führt; und das auch noch in Hattingers unmittelbarer Nachbarschaft. Verkörpert wird dieser Albrecht Ostermeier von Edgar Selge, und spätestens jetzt ist klar, warum der Film in der Oberliga spielt.

Ariela Bogenberger hat den Roman des Gatten an einigen Stellen entscheidend verändert, um die Fernsehtauglichkeit der Geschichte zu erhöhen. Während das Buch quasi ein Körperteilpuzzle ist, sind es im Film gleich mehrere Leichen, die Hattinger und seine Kollegen auf Trab halten. Der erste Tote ist ein Anästhesist, die zweite Leiche gehört einer Bestsellerautorin (Ursula Karven in kurzer Gastrolle), die in ihrem ersten Berufsleben Ärztin war. Makaber treibt der Mörder Schindluder mit den Händen der Schriftstellerin: Die eine bekommt Hattinger mit der Post, die andere findet sich auf einem Lesepult in einer Kirche; hier sollte die Frau aus ihrem jüngsten Buch "Beichte" lesen. Ein dritter Leichnam wird mit einem Eimer voller Fische auf dem Haupt gefunden. Die Botschaft ist unverkennbar: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

Trotz manch’ grimmiger Ironie: "Hattinger und die kalte Hand" ist kein Provinzkrimi im Stil der Filme von Markus Imboden und Holger Karsten Schmidt ("Mörder auf Amrum"), keine skurrile Landei-Geschichte à la "Kluftinger" und erst recht keine Variante des früheren ARD-Vorabend-Etiketts "Heiter bis tödlich"; komisch ist hier gar nichts. Am ehesten passt das Prädikat Heimatkrimi, weil damit auch eine jeweils regional verortete Mentalität verbunden ist; der Film gehört also eher in die Nähe vergleichbarer ZDF-Reihen wie den Spreewaldkrimis oder "Nord Nord Mord". Die Bildgestaltung (Christian Rein) ist ohnehin erlesen, die Musik (Alex Komlew) passt perfekt und orientiert sich am Romantitel, und Edgar Selge ist sowieso famos. Im Grunde spielt er zwei verschiedene Rollen: hier den harmlosen Rentner, dort den eiskalten Mörder, für dessen Untaten man sogar ein gewisses Verständnis hat, weil Selge den Mann als eine Art Michael Kohlhaas verkörpert, der eine zwanzig Jahre alte Rechnung begleicht. Steinbichlers Umsetzung ist durchaus fesselnd, wenn auch eher auf hintergründige Weise; zum Thriller wird der Film erst am Ende, als Hattinger zu allem Überfluss auch noch um das Leben seiner Tochter fürchten muss.