Älteste Evangelische Akademie vor Jubiläum

Älteste Evangelische Akademie vor Jubiläum
Tagungen in Bad Boll sorgen immer wieder für Aufregung
Die Evangelische Akademie Bad Boll feiert im kommenden Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Sie ist die älteste und größte kirchliche Akademie in Deutschland, teilte ihr Direktor Jörg Hübner am Montag in Bad Boll bei Göppingen mit.

Zu einem Festakt im September haben sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, angesagt.

120 bis 150 Tagungen im Jahr

Die Akademie veranstaltet jährlich 120 bis 150 Tagungen, an denen insgesamt rund 10.000 Menschen teilnehmen. Sie beschäftigt 25 Studienleiter und verfügt über ein Jahresbudget von 3,5 Millionen Euro. Bundesweit gibt es 16 weitere Evangelische Akademien, die von den Landeskirchen betrieben werden.

Eine im September 1945 im Kurhaus Bad Boll organisierte Tagung für "Männer des Rechts und der Wirtschaft" gilt als Gründungsveranstaltung der Evangelischen Akademie Bad Boll. Sie wurde von Pfarrer Eberhard Müller initiiert, der dann bis 1971 Direktor der Akademie war.

Konträre Positionen und umstrittene Gäste

Die Akademie hat mir ihren Tagungen immer wieder bundesweites Aufsehen erregt. So trafen dort 1968 der Philosoph Ernst Bloch und der Studentenführer Rudi Dutschke aufeinander. Später fanden in dem kirchlichen Haus auch Tagungen für Lesben statt. In jüngster Zeit sorgten Veranstaltungen zum Nahostkonflikt für Ärger, nachdem dort Referenten eingeladen waren, die von Kritikern als judenfeindlich eingestuft wurden.

Akademiedirektor Hübner sieht als Markenzeichen seines Hauses die persönliche Begegnung. Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten sollten nicht nur übereinander reden, sondern miteinander, sagte er. So habe man vor kurzem auch Vertreter rechtspopulistischer Parteien aus Polen und Ungarn eingeladen, um das Verstehen zwischen konträren Positionen zu ermöglichen.

Die Arbeit der Akademie betrachtet Hübner als "Gesellschaftsdiakonie". In der Geschichte habe das evangelische Haus wesentliche Debatten in Deutschland geprägt, etwa zu den Themen Nachhaltigkeit, Westintegration, Feminismus oder Medienethik. Auch heute sollte der Diskurs nicht vernachlässigt werden. "Demokratie braucht Zeit", betonte Hübner.

Zum Jubiläum plant die Leitung statt einer Festschrift eine interaktive Darstellung der Geschichte im Internet. Neben dem Festakt am 27. September wird es das ganze Jahr über Kunstaktionen, Tagungen und offene Veranstaltungen geben, bei denen sich die Akademie vorstellt. Außerdem wird eine Zukunftswerkstatt Ideen entwickeln, wie sich die Akademie in den kommenden Jahren positionieren soll.