TV-Tipp: "Hannas schlafende Hunde" (BR)

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TV-Tipp: "Hannas schlafende Hunde" (BR)
19.8., BR, 23.10 Uhr
Wenn eine Familie ein Geheimnis hütet, sieht man das am ehesten den Kindern an: weil sie instinktiv spüren, dass irgendwas nicht stimmt. So ergeht es auch der kleinen Johanna. Das Mädchen mit der glockenhellen Singstimme wächst Mitte der Sechzigerjahre in behüteten Verhältnissen in der österreichischen Provinz auf. Es ist neugierig, hat einen offenen und wachen Geist und sieht überhaupt nicht ein, der Doktrin seiner Mutter zu folgen: bloß nicht auffallen!

Als Zuschauer ahnt man früh, welches Geheimnis Mutter Ruth (Franziska Weisz) und Großmutter Katharina (Hannelore Elsner) hüten, aber da Regisseur Andreas Gruber – sein Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Roman von Elisabeth Escher – die Handlung konsequent aus Sicht Johannas erzählt, bleiben die Zeichen zunächst ungedeutet. Umso berührender sind die Erlebnisse des Kindes, das nicht versteht, warum sich viele Mitmenschen so seltsam verhalten. Beim sonntäglichen Kirchgang erntet die Familie missbilligende Blicke, der niederträchtige Hausmeister Leitinger (Christian Hoening) macht komische Andeutungen, die Religionslehrerin (Michaela Rosen) behandelt Hanna auf eine Weise, die man heute Mobbing nennen würde; und dann ist da noch ein ehemaliger Bankdirektor (Christian Wolff), dessen Anwesenheit die Mutter jedes Mal erstarren lässt.

Gruber, 1995 durch den Weltkriegsfilm "Hasenjagd" bekannt geworden, strukturiert seine Geschichte sehr episodisch, und viele dieser Episoden sind nicht schön: Mal versucht der trinkfreudige Hausmeister, den seine Frau regelmäßig im Keller einsperrt, wenn er wieder besoffen ist, das Mädchen zu missbrauchen; mal lässt die Lehrerin, eine furchtbare Pädagogin, ausgerechnet Hanna bei einem Treffen alter Nazi-Kameraden "Kein schöner Land" singen. Am Ende, als Leitinger im Keller verbrennt, wird das Kind gar noch des Mordes verdächtigt. Trotzdem gelingt dem österreichischen Regisseur das Kunststück, "Hannas schlafende Hunde" nicht als düsteres Drama zu inszenieren. Das liegt zum Einen am unbefangenen Blick der jungen Heldin, die vieles von dem, was um sie herum passiert, schlicht nicht versteht. Da sich Erwachsene aus Kindersicht ohnehin oft seltsam verhalten, nimmt sie sich die Ereignisse – den Missbrauchsversuch ausdrücklich ausgenommen – auch nicht weiter zu Herzen. Zum Anderen entpuppt sich die zehnjährige Hauptdarstellerin Nike Seitz in ihrer ersten großen Rolle als echter Glücksgriff. Meist braucht das Mädchen das Geschehen zwar bloß mit großen verständnislosen blauen Augen verfolgen, aber wenn es spielen muss, macht es das fabelhaft. Auch schwierige Dialoge, für Kinder in diesem Alter eine besondere Herausforderung, klingen nie aufgesagt. Die beiden prominenten Schauspielerinnen an ihrer Seite sind erst recht sehenswert. Für die im April verstorbene Hannelore Elsner war die blinde Großmutter eine wunderbare Altersrolle. Ähnlich sehenswert ist Franziska Weisz, denn während die spitzzüngige Ruth nichts mehr zu verlieren hat und ihrem Unmut daher freien Lauf lässt, kann Katharina ihre Wut nur mit Mühe zügeln. Grubers Inszenierung ist mit Ausnahme einiger Spiegel-Bilder nicht weiter der Rede wert, aber seine Schauspieler hat er vortrefflich geführt.