TV-Tipp: "Hotel Heidelberg: Wir sind die Neuen" (ARD)

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TV-Tipp: "Hotel Heidelberg: Wir sind die Neuen" (ARD)
31.5., ARD, 20.15 Uhr
Die Situation bei "Hotel Heidelberg" erinnert ans internationale Fußballgeschäft: Ein Verein, der nicht aus dem Morgenland oder durch russische Oligarchen alimentiert wird, verliert seinen Topstar und braucht nun Ersatz; möglichst gleichwertig, aber nicht so teuer.

Annette Frier und Christoph Maria Herbst haben die Reihe auf eigenen Wunsch verlassen. Ihre Nachfolgerinnen sind Susanna Simon und Meike Droste, was auf den ersten Blick überrascht. Die beiden sind zwar gestandene Schauspielerinnen, aber bei weitem nicht derartige Hochkaräter wie ihre Vorgänger. Die ARD-Tochter Degeto nutzt den Stabwechsel im Hotel jedoch für einen Neustart, und deshalb setzt die wenig einfallsreich "Wir sind die Neuen" betitelte erste Episode mit den Schwestern Karin und Mascha völlig andere Akzente als die Geschichten mit dem bisherigen Ensemble. Damit der Übergang nicht ganz so abrupt verläuft, dürfen einige Mitglieder der Filmfamilie weiterhin mitwirken, darunter Stefan (Stephan Grossmann), der Bruder der früheren Chefin, zu dessen Leidwesen in der Küche fortan vegan gekocht wird.

Der Film nimmt sich zunächst viel Zeit für die Renovierung des Hauses. Geschickt nutzt Martin Rauhaus, der Schöpfer der Reihe, die umfassenden Arbeiten, um die Charaktere der beiden neuen Besitzerinnen herauszuarbeiten und auf diese Weise andere emotionale Schwerpunkte zu setzen. Die stets nüchtern gekleidete und etwas herrische Karin, bislang Managerin einer großen Hotelkette, will das traditionsreiche Domizil auf internationalen Standard heben und hat entsprechende Erwartungen ans Personal, dessen Arbeitstempo sie mit der Stoppuhr in der Hand überwacht. Die sanfte Mascha, die im Kontrast zur Schwester ein bisschen paradiesvogelig daherkommt, möchte den Gästen ein "Zuhause auf Zeit" bieten und das alte Flair erhalten; außerdem glättet sie die Wogen, die ihre Schwester beim Umgang mit Angestellten und Handwerkern verursacht. Auf diese Weise schafft Rauhaus zwei interessante Ebenen, eine sachliche und eine menschliche, die sich auf reizvolle Weise gegenseitig ergänzen. Der Unterschied zwischen den Frauen manifestiert sich im Streit um die Rezeptionsbeleuchtung: Mascha möchte die alte Lavalampe behalten, Karin will ein teures Designerstück auf den Tresen stellen.

Weil die zerstrittenen Frauen in der letzten Episode ("…wer sich ewig bindet") zwar eingeführt worden, aber dennoch hinter dem Ehepaar Kramer (Frier und Herbst) nur wichtige Nebenfiguren geblieben sind, kann Rauhaus nun die eine oder andere biografische Facette vertiefen. Dazu zählt nicht zuletzt Maschas Beruf: Sie ist Schriftstellerin. Allerdings lässt sich nur mit viel Wohlwollen glauben, dass Karin überhaupt nicht mitbekommen hat, wie erfolgreich die Schwester in ihrem Metier ist. Als die Lokalzeitung berichtet, sie habe das Hotel Heidelberg übernommen, glaubt Karin, Mascha wolle sich auf Kosten des Unternehmens profilieren, dabei ist es genau andersrum: Sie ist eine prominente Bestsellerautorin kulinarischer Krimis, weshalb sich Karin anschließend buchstäblich in den Staub wirft und um Vergebung bittet.

Natürlich darf beim Übergang in die neue Ära nicht alles reibungslos klappen, sonst gäbe es ja keine Geschichte. Für Misstöne sorgen zunächst nur die zum Inventar gehörende Tante Ingrid (Kathrin Ackermann), die nicht nur wegen ihrer ewigen Nörgelei nervt, sowie die ähnlich eindimensional angelegte Stiefmutter (Irene Rindje) der Schwestern. Dann jedoch ereignen sich einige mittelschwere Katastrophen. Unter anderem fällt ausgerechnet am Tag der Eröffnung mitten in einer Lesung Maschas der Strom aus, und in der City-Dependance mit den schmucken neuen Apartments gibt es einen hässlichen Wasserschaden. Das kann kein Zufall sein, mutmaßen die Schwestern, und tatsächlich drohen die beiden mitsamt ihrem schmucken neuen Hotel zum Opfer einer miesen Intrige zu werden. Damit auch etwaige junge Zuschauer eine Identifikationsfigur bekommen und "Hotel Heidelberg" weiterhin dem Ruf als Familienreihe treu bleiben kann, ergänzt Rauhaus das Ensemble im letzten Akt um einen Überraschungsgast: Aus heiterem Himmel stellt sich raus, dass Mascha nicht nur eine Tochter hat, Laura (Annika Schrumpf), sondern auch sehr junge Großmutter ist. Der Kontakt zwischen den beiden war zuletzt offenbar sehr sparsam, und diesmal ist es Karin, die sich erfolgreich als Mediatorin betätigt – bis sie rausfindet, wer Lauras Vater ist; prompt löst sich die gerade erst mühsam geschmiedete Schwesternliebe wieder in Luft auf. Da hat sich Rauhaus einen kleinen Knüller einfallen lassen, zumal das Foto des Erzeugers einen nicht ganz unbekannten Schauspieler zeigt, der garantiert im nächsten Film vorbeischauen wird.

Wie schon zuletzt hat Regisseur Edzard Onneken bei der Zusammenarbeit mit den Schauspielern vorzügliche Arbeit geleistet. Die Bildgestaltung ist dagegen eher unoriginell, trotz gelegentlich verblüffender Effekte: Stefan scheint auf der Straße ein Selbstgespräch zu führen, bis sich rausstellt, dass die beiden Schwestern von seinem breiten Kreuz verdeckt werden. Susanna Simon und Meike Droste machen ohnehin Lust auf mehr.