Vereinsartige Strukturen begünstigen Missbrauch in Kirche

Vereinsartige Strukturen begünstigen Missbrauch in Kirche
Vereinsartige Strukturen, unreflektierte Vermischung von dienstlichen und privaten Angelegenheiten sowie das Fehlen einer Beschwerdemöglichkeit sind nach Auffassung der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs wesentliche Faktoren, die sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche begünstigen.

"In der evangelischen Kirche ist es komplett undurchschaubar, an wen sich Betroffene wenden können", sagte die EKD-Beauftragte zum Schutz vor sexualisierter Gewalt am Samstag bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Hofgeismar zum Thema "Geschlecht, Gesellschaft, Gewalt". Derzeit seien in evangelischer Kirche und Diakonie rund 600 Fälle von Missbrauch bekannt. Wie hoch die Dunkelziffer sei, wisse man nicht.

"Wir haben kapital versagt und haben den Schutz uns anvertrauter Menschen nicht gewährleistet", räumte Fehrs ein. Nun sei eine unabhängige Aufarbeitung der Fälle nötig. Sie sei sich durchaus bewusst, dass eine solche Aufarbeitung für die Betroffenen eine geoße Belastung sei, wenn sie erneut mit dem Geschehen konfrontiert würden. Das erlittene Unrecht könne bei den Opfern auch zum Verlust ihres Glaubens führen. Ab 1. Juli werde es bei der EKD eine unabhängige und zentrale Anlaufstelle geben, die Betroffene an die jeweiligs zuständigen Ansprechpartner der Landeskirchen vermitteln werde.

Thomas Zippert, Koordinator der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck zum Thema "sexualisierte Gewalt", wies darauf hin, dass Missbrauchsopfer sich vor allem dann meldeten, wenn die Problematik offen thematisiert würde. Obwohl es bei den bestehenden Strukturen schwer sei, Beschwerdestellen aufzubauen, komme man darum nicht herum. Jede Machtposition in der Kirche brauche einen Widerpart, betonte Zippert. Die "spirituelle Gewaltenteilung", wie sie in der Reformation angelegt sei, müsse neu entdeckt werden.