"Christen können nahezu überall in Syrien ihren Glauben leben"

Syrisch-orthodoxen Gemeinde
© epd-bild/Sebastian Backhaus
Der Priester der syrisch-orthodoxen Gemeinde "Marian al-Adra", Abuna Saliba, teilt in seiner Kirche in Qamischli in Syrien die heilige Kommunion aus.
"Christen können nahezu überall in Syrien ihren Glauben leben"
Drei Fragen an Erzbischof Ludwig Schick
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ist am Freitag von einer Reise in das Bürgerkriegsland Syrien zurückgekehrt. Als Vorsitzender der Kommission Weltkirche der katholischen Deutschen Bischofskonferenz wollte er sich einen Überblick über die politische und gesellschaftliche Lage verschaffen. Über seine Erkenntnisse sprach er mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Wie ist die Situation der Kirchen und der Christen?

Erzbischof Schick: Nachdem der "Islamische Staat" weitgehend besiegt ist, haben die Christen wieder die Möglichkeit, nahezu überall im Land ihren Glauben zu leben. Die Kirchen sind froh über diese Entwicklung, aber sie blicken trotzdem mit großen Sorgen in die Zukunft. Christen haben während des Krieges in überdurchschnittlichem Maße Syrien verlassen. In der Millionenstadt Aleppo lebten vor dem Krieg 150.000 Christen, jetzt sind es noch 30.000. Sie sind eine kleine Minderheit geworden - etwa zwei Prozent der Bevölkerung. Es gibt auch kaum Hoffnung, dass viele zurückkehren. So müssen sich die Kirchen und die Christen auf eine neue Rolle in der syrischen Gesellschaft einstellen: Mehr denn je sind sie gefordert, "Salz der Erde" zu sein, winzig der Quantität nach, aber wesentlich für das Gelingen des Ganzen.

Worin besteht der größte Handlungsbedarf?

Erzbischof Schick: Zunächst einmal muss die im freien Fall befindliche Wirtschaft stabilisiert werden. Nur so kann die grassierende Armut abgemildert werden und Hoffnung auf Zukunft aufkeimen. Mittel- und langfristig braucht es aber sehr viel mehr, damit Syrien eine gute Zukunft aufbauen kann: echte Bemühungen um eine inklusivere Gesellschaft, in der sich die verschiedenen Gruppen zu Hause fühlen und die Einzelnen ein höheres Maß an Freiheit genießen.

Auf großen Optimismus, dass das Land seine schwere Krise in näherer Zukunft überwinden kann, bin ich nirgends gestoßen. Die ethnischen und konfessionellen Gruppen, die jahrelang im Kampf gegeneinander gestanden haben, müssen wieder zueinander finden und sich versöhnen. Das wird dauern. Der Einfluss auswärtiger Mächte wie Russland, Iran, USA mit ihren eigenen politischen und ökonomischen Interessen macht die Lage noch schwieriger.

Was kann die Kirche tun, um die Situation vor Ort zu verbessern?

Erzbischof Schick: Die Kirche muss tun, was ihr immer und überall aufgetragen ist: den Glauben feiern und bezeugen - und den Armen die Hand reichen. Humanitäre Hilfe ist in Syrien möglich, auch wenn es manchmal schwierige Hürden zu überwinden gilt. Es gibt Vorgaben der syrischen Regierung, und auch die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft, die keinen Wiederaufbau unter Präsident Assad unterstützen will, bedeuten für die Hilfsorganisationen erhebliche Einschränkungen. Dennoch: Die Kirche nutzt die bestehenden Spielräume, sie versorgt die Notleidenden nach Kräften und bringt den Menschen neuen Lebensmut und Hoffnung.