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Christen in Syrien
Gehen oder bleiben?
Langsam und mit schweren Schritten betritt Pater Fadi Khoury, ein Franziskaner, die Kirche Herz Jesu in der syrischen Hafenstadt Latakia. Seit 2015 dient er hier – nicht nur als Seelsorger, sondern als Hirte für erschöpfte Herzen und müde Körper. Die Kirche wurde 1930 erbaut und blickt aufs Mittelmeer wie ein Leuchtturm, ein Zufluchtsort in stürmischen Zeiten.
"Wir helfen, wir unterrichten, wir versorgen – aber wir sind auch Menschen", sagt der Pater: "Der Alltag ist zermürbend". Monatlich versorgt das angeschlossene Krankenhaus 550 Menschen, 500 Familien erhalten Lebensmittelpakete. Stipendien von Gemeinden aus Europa helfen Schülern, die inmitten von Unsicherheit weiterlernen wollen. Doch was die Menschen wirklich wollen? "Keine Almosen. Sie wollen raus. Sie sagen: 'Vater, wir brauchen kein Brot. Wir brauchen ein Visum.'", fasst er zusammen.
In den vergangen Monaten und Wochen ist die Angst gewachsen: Der ehemalige syrische Präsident Baschar al-Assad hatte sich stets als Beschützer der Minderheiten inszeniert. Nach seiner Flucht im Dezember fühlten sich viele Christen im Stich gelassen und machten sich Sorgen, was mit ihnen geschehen könnte. Im März kam es in der Umgebung von Latakia, Jableh und Baniyas zu Massakern gegen Alawiten, der Religionsgruppe, der auch der Assad-Clan angehört.
Über tausend Alawiten kamen ums Leben. Auch zehn Christen aus der Herz-Jesu-Gemeinde in Latakia wurden getötet und die Häuser anderer geplündert, weil sie in der Nähe der Massaker lebten. Die schlimmen Befürchtungen schienen sich zu bestätigen. Seitdem vergeht kein Tag ohne Angriffe oder Entführungen in diesen Gebieten.