TV-Tipp: "Tatort: Aus der Tiefe der Zeit"

Alter Fernseher vor gelber Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Aus der Tiefe der Zeit"
9.4., BR, 20.15 Uhr
Wenn Dominik Graf im Auftrag des Bayerischen Rundfunks einen Sonntagskrimi inszeniert, darf man mit Fug und Recht einen nicht nur ungewöhnlichen, sondern auch ungewöhnlich guten Film erwarten.

Schließlich hat der Grimme-Rekordpreisträger 2006 und 2007 zwei seiner vielen Trophäen für die "Polizeiruf"-Filme "Der scharlachrote Engel" und "Er sollte tot" bekommen, und "Frau Bu lacht" gilt bis heute als einer der besten Auftritte des Münchener "Tatort"-Teams. Selbstredend wird der künstlerisch vermutlich erfolgreichste deutsche TV-Regisseur ("Im Angesicht des Verbrechens") seinem Anspruch auch mit "Aus der Tiefe der Zeit" gerecht. Der Film, eine Wiederholung aus dem Jahr 2013, hat alles zu bieten, was einen Krimi Grafscher Prägung ausmacht: eine komplexe Handlung (Buch: Bernd Schwamm), eine ausgeklügelte Tonebene (Peter Preuß), eine herausragende Bildgestaltung (Alexander Fischerkoesen) sowie sehenswerte Darstellerleistungen. 

 

Der stets spür- und sichtbare unbedingte Wille aller Beteiligten, etwas Besonders herzustellen, hat allerdings mitunter zur Folge, dass Grafs Filme nur bedingt mehrheitsfähig sind. Der Regisseur bewegt sich zwar innerhalb des vorgegebenen Rahmens, aber wer sonntags beispielsweise die Gemütlichkeit und Überschaubarkeit der Bodenseekrimis schätzt, wird Grafs Werk womöglich künstlerisch als zu anspruchsvoll empfinden.

Andererseits macht gerade dies den Reiz seiner Filme aus. Fernsehregisseure nützen die Möglichkeit, auf Bild- und Tonebene mit den Konventionen zu spielen, ohnehin viel zu selten. Schon allein aus diesem Grund ist "Aus der Tiefe der Zeit" ein Genuss. Die bildsprachlichen Elemente gerade des italienischen Kinos der Siebziger mögen nur bedingt im Dienst der Handlung stehen, aber Spaß machen sie trotzdem. Außerdem ist der Film auch wegen der zunächst allerdings ziemlich undurchschaubaren Geschichte sehenswert. Vordergründig geht es um Korruption im Münchener Baudezernat, doch nach dem Fund einer Leiche auf dem Baugelände eines zukünftigen Wohnparks geraten Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) in ein Familiendrama, das seinen Anfang nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs genommen hat. Insgesamt lassen vier Personen im Verlauf der Handlung ihr Leben; aber nur einer der Todesfälle war im juristischen Sinn Mord.

Schon allein die Inszenierung der Hauptfiguren sprengt den üblichen "Tatort"-Rahmen, selbst wenn die familiäre Konstellation durchaus den Krimikonventionen entspricht: Magda Holzer (Erni Mangold), einst Kunstschützin im Zirkus Krone und nun hochbetagt, hat ihrem leiblichen Sohn Peter (Martin Feifel) immer den Adoptivsohn Florian vorgezogen. Als Florian tot in der Baugrube gefunden wird, fällt der Verdacht umgehend auf Peter, zumal sich beide kurz zuvor heftig gestritten hatten; außerdem wetteiferten sie um die selbe Frau (Meret Becker), die über Peter sagt, er sei der Traurigste von Allen. Aber wie passt die Vergiftung eines Szene-Stylisten (Maximilian Brückner in einer ausgesprochen schrägen Gastrolle) ins Bild? Und warum stoßen die Ermittler immer wieder auf kroatische Neo-Faschisten?

Die ethnische Nebenebene hat immerhin den Vorteil, dass Batic-Darsteller Nemec endlich mal wieder seine sprachlichen Wurzeln ausleben darf. Graf-Stammspieler Mišel Matičević ("Hotte im Paradies") redet als Mädchen für alles bei Familie Holzer sogar überwiegend in seiner Muttersprache. Trotz der großen Besetzung ist jedoch das Bild der Star, zumal der Schnitt (Susanne Hartmann) für zusätzliche Dynamik sorgt; der optische Aufwand des Films lässt den durchschnittlichen Sonntagskrimi weit hinter sich.