TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Der Henker"

Alter Fernseher vor gelber Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Der Henker"
21.3., ARD, 20.15 Uhr
Im zweiten neuen Kroatien-Krimi, "Der Henker", erlaubt sich Christoph Darnstädt den Spaß, einen dramaturgischen Kniff aus dem letzten Film gleich noch mal anzuwenden: Auch diesmal geht es um einen Trittbrettfahrer.

Auch diesmal treibt der Drehbuchautor ein cleveres Spiel mit Publikum und Hauptfigur, indem er scheinbar früh seine Karten aufdeckt; aber was zunächst wie ein Informationsvorsprung für die Zuschauer wirkt, ist in Wirklichkeit Teil eines raffinierten Plans. Die Handlung beginnt mit einer zunächst harmlos anmutenden Bahnhofszene: Ein Mann steigt aus dem Zug, tröstet kurz eine in Tränen aufgelöste junge Frau, dann setzt er sich zu einem anderen ins Auto und rammt ihm einen Eispickel ins Herz. Auf einem Blatt Papier steht die aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzte Botschaft "Korruptes Schwein". Anschließend fährt er ungerührt wieder zurück nach Zagreb.

Die nächste Szene zeigt die junge Frau daheim. Der Mann am Bahnhof war davon ausgegangen, dass sie Kummer mit ihrem Freund hat, und hatte ihr geraten, sie dürfe ihm das nicht durchgehen lassen. Edita (Amelie Kiefer) sieht das offenbar ähnlich. "Es muss was passieren, Papa", sagt sie, und dieser schlichte Satz ist beinahe brillant: weil er wie ein manipulierter Wegweiser in eine völlig falsche Richtung führt. Dieses Spiel mit einem doppelten Drehbuchboden zieht sich durch den gesamten Film und prägt auch Szenen, die mit der eigentlichen Krimiebene nichts zu tun haben.

 

Das Mordopfer hat zu Lebzeiten fürs Bauamt gearbeitet und sich angeblich dafür bezahlen lassen, Bauherren für ihre noch während der Tito-Ära schwarz errichteten Häuser eine nachträgliche Genehmigung zu erteilen. Die entsprechenden Akten sind zur Untersuchung bei der Antikorruptionseinheit in Zagreb. Als der zuständige Ermittler nach Split kommt, deckt Darnstädt seine erste Karte auf: Stojan Manojlovic ist niemand anderes als der Mörder aus dem Prolog. Juergen Maurer ist eine formidable Besetzung für diese Rolle, weil seine düster-melancholische Aura ohnehin eine gewisse Abgründigkeit vermittelt. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die resignierte Haltung des Beamten: In seinen Gesprächen mit Branka wird rasch deutlich, wie sehr es ihn frustriert, nach jahrelangem Kampf gegen die Korruption in Kroatien im Grunde nichts erreicht zu haben.

Derweil setzen Darnstädt und Regisseur Michael Kreindl auf der zweiten Ebene die Geschichte von Edita fort. Der alte Vater der jungen Frau hat erhebliche Lungenprobleme. Jeden Tag fährt sie mit ihm ins Krankenhaus, jeden Tag wird sie dort von einem Arzt vertröstet, bis eine andere Patientin ihr schließlich erklärt, wie sie die elende Warterei auf einen Operationstermin beschleunigen kann; aber nun ist es zu spät. Kurz drauf wird die Leiche des Arztes gefunden; ein Kopfschuss hat seinem Dasein ein Ende gesetzt. Die Botschaft ist die gleiche wie beim ersten Mord: „korruptes Schwein“. Weil Manojlovic zuvor viel dafür getan hat, um sich als selbsternannten Richter und Henker ins Spiel zu bringen, ist Branka überzeugt, dass der Kollege hinter den Taten steckt.

In einem durchschnittlichen Krimi wäre der Fall damit auch quasi gelöst, aber Darnstädt hat nicht nur längst nicht alle Karten aufgedeckt, er entpuppt sich außerdem als durchtriebener Falschspieler: Die Geschichte hat dank einer kleinen Zeitverschiebung keinen doppelten, sondern einen dreifachen Boden, und deshalb mündet sie auch in ein Finale, bei dem sich die Kommissarin als mindestens so durchtrieben erweist wie ihr Kontrahent. Rahmanian und Maurer spielen das ohnehin ganz vorzüglich: er, wie sich Manojlovic seiner Sache zunächst ganz sicher ist, um dann zu erkennen, dass sich die Schlinge um seinen Hals immer mehr zuzieht; und sie, wie Branka es genießt, dem Kollegen dabei zuzuschauen. Auch die erneut gute Musik von Titus Vollmer hat ihren Anteil an der Wirkung dieser Szene.

Neben der clever konzipierten Geschichte ist "Der Henker" vor allem schauspielerisch sehenswert. Jürgen Maurer ist ein mehr als würdiger Gegenspieler für die wie stets ausgesprochen elegant gekleidete Kommissarin. Ihrer Darstellerin Neda Rahmanian setzt der Film ein kleines Denkmal: Das Restaurant, in dem Branko mit Manojlovic einkehrt, heißt Neda. Für viel Gefühl sorgen die kurzen Abstecher in eines der vor Jahrzehnten illegal errichteten Häuser. Hier lebt ein von der Polizei belagertes altes Ehepaar (Nikolaus Paryla, Sabine Hahn), das sein Eigenheim verlassen soll. Selbst diesen scheinbar nebensächlichen Erzählstrang nutzt Darnstädt jedoch, um ein Detail unterzubringen, das die eigentlichen Ermittlungen entscheidend voranbringt.

Gemessen an dem sehr plausibel um einige Nebenebenen ergänzten zentralen Handlungsstrang ist das Privatleben Brankas zwangsläufig wenig spektakulär, aber immerhin geschickt in die Ermittlungen integriert: Ihr deutscher Freund, der Pilot Kai (Andreas Guenther), denkt darüber nach, in Split sesshaft zu werden; dass er der Sehnsucht von Brankas Mutter (Adriana Altaras) nach Enkeln nicht abgeneigt ist, lässt ihn in deren Ansehen gleich immens steigen. Zum besinnlichen Ausklang greift Darnstädt noch mal ein Element aus dem dritten Film ("Mord auf Vis") auf, als es ein Wiedersehen zwischen Branka und ihrem todgeglaubten Bruder gab; ein schöner Abschluss, selbst wenn der Film mit einer offenen Frage endet.