TV-Tipp: "Unter anderen Umständen: Im finsteren Tal" (ZDF)

 Alter Fernseher vor gelber Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Unter anderen Umständen: Im finsteren Tal" (ZDF)
21.1., ZDF, 20.15 Uhr
Bislang lag der Reiz der ZDF-Krimireihe "Unter anderen Umständen" nicht zuletzt in der Nähe zu Skandinavien: Die Fälle führten Jana Winter (Natalia Wörner) immer wieder nach Dänemark. Im 15. Film schicken die kreativen Köpfe hinter der Reihe die Kommissarin erneut ins Ausland, aber in die völlig andere Richtung: Diesmal geht die Reise in den österreichischen Kurort Bad Gastein.
Auf diese Weise kann André Georgi, der auch drei der letzten vier Episoden geschrieben hat, die Hauptfigur mit gleich mehreren Herausforderungen konfrontieren. Wie schon gegen Ende des letzten Films ("Das Geheimnis der Schwestern", 2018) angekündigt, sind die Dienststellen Schleswig und Flensburg zusammengelegt worden; Winter ist die neue Leiterin. Ihr bisheriger Chef, Arne Brauner (Martin Brambach), hat derweil eine Entziehungskur abgebrochen und ist nach Österreich geflohen, wo er einen Rückfall erleidet. Während Winter ins neue Amt eingeführt wird, betrinkt sich Brauner auf einer Alm. Beim Rückweg durch eine Schlucht stürzt vor seinen Augen eine Frau in die Tiefe, anschließend fallen Schüsse, Brauner wird getroffen. Als er im Krankenhaus wieder aufwacht, hat er einen kompletten Filmriss.
 
 
Was nun folgt, ist eine Mischung aus Heimatkrimi und Familiendrama, die auch ein Beitrag zur ORF-Reihe "Landkrimi" sein könnte: Der überforderte Dorfpolizist Robanegg (Cornelius Obonya) erhält Hilfe durch die Kriminalpolizei; nur kommt die Unterstützung nicht aus Salzburg, sondern aus Schleswig, weil sich Winter natürlich Sorgen um ihren Kollegen macht und außerdem wissen will, warum auf ihn geschossen worden ist. Da in dem kleinen Bad Gastein jeder jeden kennt und alle alles wissen, wie Winter feststellt, ist Robanegg ohnehin nicht objektiv; aber das ist nicht der einzige Grund, warum er nicht unbefangen ermitteln kann. Natürlich hat Winter als deutsche Polizistin keinerlei Befugnisse hat, aber selbst wenn der einheimische Kollege angesichts ihres dominanten Auftretens zunächst etwas fremdelt, ist er doch ganz froh, die Verantwortung nicht allein tragen zu müssen.
 
Geschickt verknüpft Georgi, dessen auch in den kleinsten Details stimmiges Drehbuch auf einer Vorlage von Gwendolyn Bellmann und Marianne Wendt basiert, die verschiedenen emotionalen Ebenen der Geschichte zu einem fesselnden Krimidrama: Den angeschlagenen Brauner hält es nicht lange im Krankenbett, aber natürlich ist er auch seelisch zutiefst verletzt, weil Winter nun seine Vorgesetzte ist. Zusätzlichen Reiz bekommt die Konstellation weil der brummelige Brauner und der kantige Robanegg aus ähnlichem Holz geschnitzt sind. Den Deutschen offenbart sich schließlich eine düstere Familiengeschichte: Peter Kroll (Klaus Pohl), Robaneggs Schwiegervater und Besitzer des Grand Hotels, ist ein Patriarch von altem Schrot und Korn, für dessen Gefälligkeiten sich die weiblichen Angestellten auf ganz spezielle Weise revanchieren müssen. Vor vielen Jahren hat er angeblich ein 15-jähriges Zimmermädchen vergewaltigt; seine Frau hat sich darauf im Treppenhaus des imposanten Hotels aufgehängt. Mit den Schüssen auf Brauner scheint die Vergangenheit zunächst nur mittelbar zu tun zu haben, aber dann stellt sich raus, dass ein Gutachter (Simon Hatzl) hohe radioaktive Werte gemessen hat, die den gesamten Kurbetrieb gefährden; Krolls Sohn und Nachfolger (Manuel Rubey) will das Grand Hotel verkaufen, würde nun aber nur einen Spottpreis dafür erhalten. Die Tote aus der Schlucht ist die Frau des Gutachters, der sich wiederum von einem vermögenden Investor (Felix Everding) hat bestechen lassen. Der junge Mann will Bad Gastein zurück zu alter Größe verhelfen, aber auch er ist auf verblüffende Weise in die Familiengeschichte der Krolls involviert; am Ende wandelt sich das Drama zur Tragödie.
 
Nicht minder reizvoll als die verzwickte Handlung ist der Schauplatz; vom mondänen Bad Gastein, dessen Glanz gerade bei Nacht noch nicht verblichen ist, profitierte schon der ZDF-Krimi "Das Dorf des Schweigens" (2016), ebenfalls ein Familiendrama über eine schockierende Wahrheit. Regisseurin Judith Kennel hat alle 15 Episoden von "Unter anderen Umständen" inszeniert und dabei meist mit Kamerafrau Nathalie Wiedemann zusammengearbeitet. Diesmal oblag die Bildgestaltung Nicolay Gutscher, der Kurort und Landschaft perfekt in Szene gesetzt hat. Entscheidender als die Schauplätze, zu denen auch das viel Klasse und Tradition ausstrahlende Hotel zählt, sind trotzdem die Schauspieler. Cornelius Obonya ist eine ausgezeichnete Ergänzung für Wörner und Brambach, und auch die Mitglieder der Familie Kroll sind sehr gut besetzt, selbst wenn die Darsteller mit Ausnahme Manuel Rubeys hierzulande kaum bekannt sind.