TV-Tipp: "Die Inselärztin: Die Entscheidung" (ARD)

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TV-Tipp: "Die Inselärztin: Die Entscheidung" (ARD)
11.1., ARD, 20.15 Uhr
Der letzte Film der Reihe, "Das Geheimnis", endete mit einem klassischen Cliffhanger. Gerade erst hatte sich Inselärztin Filipa (Anja Knauer) entschieden, ihr Leben mit dem Kollegen Daniel (Tobias Licht zu teilen), da tauchte dessen totgeglaubte Frau auf. Während die insgesamt dritte Episode der Reihe trotzdem gewisse Schwächen hatte, wirkt die vierte, "Die Entscheidung", deutlich dichter, denn sie konzentriert sich auf einen zentralen Konflikt, der gleichzeitig emotionales wie auch medizinisches Drama ist.

Der Arzt Marius Mantler (Friedrich von Thun) berichtet Daniel von einer Patientin, die vor Jahren ihr Gedächtnis verloren habe, aber nun seien einige Erinnerungen zurückgekehrt. Er hat sie gleich mitgebracht: Es ist Jenny (Inez Bjørg David), Daniels vor acht Jahren spurlos verschwundene Frau. Als Filmschluss war das ein echter Knüller, zumal Filipa für Daniels 13jährige Tochter Isabelle (Sarah Warth) längst mehr als nur eine große Freundin ist. Behutsam und sehr plausibel schildern Buch (Maja und Wolfgang Brandstetter) und Regie (Peter Stauch), welche Folgen diese überraschende Entwicklung für alle vier hat: Filipa zieht sich erst mal zurück, Daniel ist hin und her gerissen, Isabelle fremdelt, und Jenny versucht, ihr altes Leben wiederzufinden.

Wirkte "Das Geheimnis" wegen der verschiedenen Handlungsstränge stellenweise etwas episodisch, so ist "Die Entscheidung" ein Film wie aus einem Guss, bei dem alles stimmt. Diesmal sind auch die gelegentlichen musikalischen Ausrufezeichen völlig angebracht: In einer Szene mit großem Gänsehautfaktor weint Jenny plötzlich blutige Tränen wie ein Madonnenwunder. Gemeinsam mit Mantler diagnostiziert Filipa ein Blutgerinnsel. Das Aneurysma sitzt fatalerweise mitten im Gehirn und ist im Grunde inoperabel, weil enormes Risiko für das Leben der Patientin besteht, aber Jenny will die OP unbedingt. Der von Filipas Fähigkeiten beeindruckte Kollege besteht darauf, dass sie den Eingriff durchführt, aber die Ärztin hat sich nach ihrem Trauma geschworen, nie wieder zu operieren.

Das dramatische Ausmaß der Geschichte ist offenkundig, zumal die Dilemmata der vier Beteiligten sehr nachvollziehbar geschildert werden: Daniel liebt Filipa, fühlt sich Jenny gegenüber aber moralisch verpflichtet; Isabelle hat ein schlechtes Gewissen, weil sie ihrer Mutter keine Chance gegeben hat; Jenny spürt, was zwischen Daniel und Filipa ist, und will sich nicht zwischen das Paar drängen; und Filipa muss die Frau operieren, die ihr den Mann wegnehmen wird. Das hätte auch ein tränenreiches Melodram werden können, aber Stauch treibt es nicht zuletzt dank seiner vorzüglichen Arbeit mit den Schauspielern nie auf die Spitze. Angesichts dieser existenziellen Konflikte hat es der zweite Handlungsstrang naturgemäß schwer, einen ähnlichen Stellenwert zu bekommen: Der frühere Hoteldirektor Kulovits (Helmut Zierl) rettet beim Segeltörn eine ins Meer gestürzte Frau und erleidet kurz drauf einen Herzinfarkt, den Filippa jedoch nicht auf die Anstrengung, sondern auf seinen seelischen Schmerz wegen des Streits mit seinem Sohn und Nachfolger Mike (Tyron Ricketts) zurückführt. Der wiederum grämt sich, denn Restaurantchefin Emi (Dennenesch Zoudé) will nichts mehr von ihm wissen; sie fühlt sich betrogen, weil er ihr wie auch allen anderen verheimlicht hat, dass er in Wirklichkeit der Chef des Hotels ist.

Regisseur Stauch sorgt zwar auch diesmal dafür, dass Meer und Himmel zur Geltung kommen, aber die Handlung wirkt insgesamt deutlich dichter. Die Kameraarbeit wirkt ebenfalls aufwändiger. Das gilt vor allem für eine Sequenz, die Mantlers Schilderungen illustriert: Jenny, ebenfalls Ärztin, war während des Erdbebens 2010 als Helferin auf Haiti; die entsprechenden Bilder sind ziemlich imposant. Doch auch einfache Gesprächsszenen verdeutlichen, dass sich Stauch und Kameramann Felix Poplawsky nicht mit der erstbesten Auflösung zufrieden gegeben haben. Als Filipa mit Kulovits über dessen seelischen Schmerz spricht, wird ihr die eigene Lage bewusst, und irgendwie gelingt es dem Kameramann zu illustrieren, wie sich ihr Gemüt tatsächlich umwölkt. Zu einem bedeutsamen Film wird "Die Entscheidung" auch durch die Zeichnung der Figuren als Menschen, die ihr Dasein dem Engagement ohne Eigennutz gewidmet haben. Jenny wird auf diese Weise für Filipa zu einer beinahe überlebensgroßen Kontrahentin: Die Hotelärztin macht zwar Hausbesuche bei armen Einheimischen, aber Daniels Frau hat auf Haiti ihr Leben riskiert, um den Erdbebenopfern zu helfen. Mantler ist ohnehin ein Philanthrop, wie er im Buche steht: Er hat eine Stiftung gegründet, betreibt mehrere Kliniken in Entwicklungsländern und macht Filipa ein Angebot, das sie angesichts der jüngsten Ereignisse kaum ablehnen kann.