Heilige Eisschollen

Die Dachschrägen reichen bis an den Boden und bilden so im Norden und Süden des Gebäudes zugleich die Außenwand.
© Foto: Wolfgang Radtke/Storymacher
Die Dachschrägen reichen bis an den Boden und bilden so im Norden und Süden des Gebäudes zugleich die Außenwand.
Heilige Eisschollen
Die nördlichste Kathedrale der Welt
Als "Eismeerkathedrale" hat die evangelisch-lutherische Kirche im nordnorwegischen Tromsö Weltruhm erlangt. Seit ihrem Bau 1965 ist sie eine Berühmtheit 350 Kilometer nördlich des Polarkreises.

Das gleißende Sonnenlicht auf den Dachschrägen lässt die Flächen wie Eis glitzern – und dies im Sommer fast rund um die Uhr. 23 Stunden lang blitzt und blinkt dann die aluminiumverkleidete Dachkonstruktion der "Eismeerkathedrale", des Wahrzeichens von Tromsö, der achtgrößten norwegischen Stadt.

Die evangelisch-lutherische Ishavskatedralen, zuweilen auch Tromsdalen Kirke genannt, ist ein Werk des Osloer Architekten Jan Inge Horvig. Mit seinem architektonischen Meisterwerk wollte der 1977 verstorbene Horvig die lange Dunkelheit, das Eis und das Polarlicht symbolisieren. Verkleidet ist die Pfarr- und Seemannskirche mit Betonplatten, ihrerseits ummantelt mit weißem Aluminium. Diese Platten sollen an Eisschollen erinnern. Das Dach besteht aus elf bis zu 35 Meter hohen Platten, die durch schmale Glasfenster voneinander getrennt sind. Die Dachschrägen reichen bis zum Boden.

Die Eismeerkathedrale thront am Ende der mehr als einen Kilometer langen Tromsöbrücke, die das Zentrum der Stadt Tromsö mit dem Stadtteil Tromsdalen verbindet. Auf einem kleinen, von Straßen umgebenen Hügel, ist sie vom Stadtzentrum aus gut erkennbar, während im Hintergrund der 1238 Meter hohe Tromsdalstinden emporragt. Die Kirche dient als ganz normale Pfarrkirche für das Festland von Tromsö, doch dank ihrer auffälligen Form und gewagten Architektur nannten die Einwohner sie gleich nach der Eröffnung 1965 "Eismeerkathedrale".

Die Bauzeit betrug nur ein Jahr, geweiht wurde das Gotteshaus am 19. Dezember 1965 durch Bischof Monrad Norderval. Schauen Besucher der ankommenden Kreuzfahrtschiffe vom Binnenhafen der Altstadt zur Kirche, so erblicken sie das seitliche Kirchenprofil der Eismeerkathedrale, das einem Segelschiff ähnelt. Unter Seeleuten und Seebären wird die "Eismeerkathedrale" auch "Bootshauskirche" genannt. Die Nur-Dach-Konstruktion weist an beiden Enden dreieckige Glasfronten auf. Die Westfront der Kirche besteht aus durchsichtigem, farblosem Glas. Hier befinden sich auch die Eingangstüren. Vor dieser von außen dunkel erscheinenden Glasfassade dominiert ein monumentales weißes Kreuz, das schon von weitem zu sehen ist.

Eines der größten Glasgemälde Europas

An der Chorseite der Kirche, die bis zu 720 Besuchern Platz bietet, befindet sich ein 140 Quadratmeter großes Buntglasfenster. Das 23 Meter hohe Glasmosaik besitzt keine traditionelle Bleiverglasung. Wegen der Glasstärke wurden die 11 Tonnen Glas in Beton und Eisen eingearbeitet, und zwar mit der in Frankreich entwickelten Dalle-Technik. Der norwegische Maler Victor Sparre gestaltete das Kunstwerk. Das 1972 geschaffene Glasmosaik trägt den Titel "Wiederkehr Jesu" und ist eines der größten Glasgemälde Europas.

Im Mittelpunkt des Glaskunstwerkes steht eine große weiße Christusfigur, umgeben von Menschen, die die Hände gen Himmel recken. Die Hand Gottes schwebt schützend über Jesus. Drei leuchtende Strahlen gehen von ihr aus, umgeben den Sohn Gottes und strahlen bis zu den Menschen auf der Erde.

Nicht nur das Äußere der Kirche spiegelt das Polarlicht wider. Je nach Jahreszeit schlägt sich auch im Innenraum das Polarlicht, Eis und lange Dunkelheit nieder. Vom Eingang der Kirche haben Besucher einen phantastischen Blick auf die Stadt und die festgemachten Hurtigruten-Schiffe. Für deren Reisende sind beim Stopp in Tromsö Kathedrale und Mitternachtskonzerte längst ein ein Muss.

Dieser Text erschien erstmals am 4. Januar 2019 auf evangelisch.de.