Theologe: Religionen müssen mehr gegen Antisemitismus tun

Theologe: Religionen müssen mehr gegen Antisemitismus tun
Reichspogromnacht jährt sich am 9. November
Den Religionen kommt im Kampf gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit nach Ansicht des Landauer katholischen Universitätstheologen Wolfgang Pauly eine wichtige Aufgabe zu.

Die großen Glaubensgemeinschaften müssten sich mehr um die Menschen kümmern, "damit sie ein glückliches, gelungenes Leben führen können", sagte der Geschäftsführer der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Labile Menschen, die keine starke Identität ausgebildet hätten, seien besonders anfällig für rassistische Ideologien, warnte Pauly im Vorfeld des 80. Jahrestags der Reichspogromnacht vom 9. November 1938.

Die christlichen Kirchen müssten vermitteln, dass ein "erfülltes Menschsein" die Grundvorsaussetzung für ein friedliches Zusammenleben sei, sagte Pauly. "Man kann nicht glücklich gegen, sondern nur mit anderen sein." Doch leider gelinge es den Kirchen immer weniger, die Menschen für ihre Botschaft der Nächstenliebe und des Friedens zu begeistern.

"Keine Pogromstimmung" in Deutschland

Die Gefahr, dass Rechtsextreme oder Islamisten in Deutschland mehr Gewalt gegen Juden verübten, sei gestiegen, sagte Pauly. Zwar seien viele Juden über die zunehmenden antisemitischen Angriffe besorgt und lebten meist unerkannt. "Aber sie sitzen nicht auf gepackten Koffern", sagte der Theologe. Im Land herrsche "keine Pogromstimmung". Dennoch seien die laut Statistiken relativ wenigen judenfeindlichen Vorfälle skandalös und nicht hinnehmbar.

Die gewaltsamen Ausschreitungen von Nationalsozialisten gegen Juden im November vor 80 Jahren hätten den Weg in den Holocaust geebnet, sagte Pauly. Deshalb seien die Deutschen dazu verpflichtet, die Redensart "Wehret den Anfängen!" ernst zu nehmen. Am Stammtisch, auf Volksfesten und in Schulhöfen müsse jeder Einzelne mutig widersprechen, wenn gegen andere Menschen gehetzt werde. 



Um Vorurteile und Hass gegen Fremde oder Minderheiten abzubauen, müssten zwischenmenschliche Begegnungen gefördert werden, sagte Pauly. Auch der fächerübergreifenden Arbeit der Schulen und besonders des Religionsunterrichts komme eine große Bedeutung zu. Die Darstellung von Einzelschicksalen könne bei Schülern das Mitgefühl für menschliches Leid wecken, ohne ihnen jedoch Schuldgefühle zu vermitteln. Gedenkstättenbesuche seien sinnvoll, müssten aber intensiv vor- und nachbereitet werden. Pauly appellierte an die jüdischen Gemeinden, sich weiter zu öffnen. Die Kirchen sollten sie darin bestärken, "sich nicht einschüchtern zu lassen und sich zu verriegeln".