TV-Tipp: "Krieg der Träume" (ARD)

TV-Tipp: "Krieg der Träume" (ARD)
17.9., ARD, 22.45 Uhr: "Krieg der Träume"
Der Auftakt ist spektakulär: Ein Mann stürzt ins Wasser, taucht wieder auf und befindet sich mitten in einem Inferno brennender Kriegsschiffe. Geschütze donnern, Todesschreie erklingen – und dann erwacht er endlich aus seinem Albtraum.

Diese ersten Bilder setzen einen Maßstab, der sich in den folgenden gut 400 Minuten als zu hoch erweisen wird, und das nicht nur, weil sie falsche Erwartungen wecken. "Krieg der Träume" ist ein ambitioniertes europäisches Prestigeprojekt, an dem über dreißig Sender, Produktionsfirmen und Fördereinrichtungen beteiligt waren. Entsprechend groß ist die Anzahl der Protagonisten: Elf Hauptfiguren repräsentieren die verschiedenen internationalen Perspektiven. Nicht minder ehrgeizig ist die Herausforderung des zeitlichen Rahmens: Die achtteilige Reihe behandelt die Weltgeschichte zwischen 1918 und 1939. Die Serie setzt also dort ein, wo "14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs" endete. Das erzählerische Konzept wie auch die ästhetische Umsetzung sind ähnlich; Spiritus rector hinter beiden Produktionen ist Jan Peter, der mit seinen Werken, darunter der dokumentarische Spielfilm "Friedrich – Ein deutscher König" (2011, mit Katharina und Anna Thalbach), ein Subgenre innerhalb des historischen Dokudramas geschaffen hat. Während die meisten Produktionen dieser Art eine Kombination aus Spielszenen, zeitgenössischen Aufnahmen und Experteninterviews bieten, dient Peter das Archivmaterial ausschließlich zur Illustration. Spielt eine Szene in einem Lokal oder einem Lazarett, werden entsprechende Schwarzweißbilder eingefügt. Das soll vermutlich ein größeres Authentizitätsgefühl vermitteln, wirkt mitunter aber auch beliebig und ist immer dann überflüssig, wenn die historischen Aufnahmen das Spielmaterial nicht ergänzen, sondern bloß wie aufs Stichwort verdoppeln. Schlüssig und unverzichtbar sind diese Einschübe immer dann, wenn sie die inszenierten Passagen erhöhen, zum Beispiel mit Aufnahmen, die das verwüstete Belgien und damit den ganzen Horror des Ersten Weltkriegs zeigen; im Hollywood-Kino entstehen solche Momente für enorme Summen am Computer. Wenig sinnvoll sind dagegen Szenen wie jene, als Kommunisten eine rote Fahne hissen und die Schwarzweißaufnahme bloß einen diffusen Grauton zeigt.

Trotzdem ist die Gestaltung nicht nur ästhetisch reizvoll, sondern meist auch inhaltlich plausibel. Das Manko der Reihe ist ein anderes: Es ist Peter und seinem Koautor und -regisseur Frédéric Goupil nicht gelungen, einen flüssigen Handlungsrahmen herzustellen. Wie in einer Doku-Soap hüpft die Serie von einem Protagonisten zum anderen, wobei die einzelnen Szenen mitunter nur einen Satz lang sind, weshalb vor allem die erste Folge wie ein Flickwerk wirkt: Der Matrose Hans Beimler (Jan Krauter) zettelt in Cuxhaven einen Aufstand an, in den Berliner Ufa-Studios bekommt die schöne Polin Apolonia (Michalina Olszanska) die Hauptrolle in einem Ernst-Lubitsch-Film, in Omsk lehnt die attraktive Kosakin Marina (Natalia Witmer) einen Heiratsantrag ab, weil sie zurück an die Front will, irgendwo in der französischen Provinz kämpft die junge Marie-Jeanne (Solène Rigot) gegen das spanische Fieber. Diese vier sind die interessantesten Figuren, weil sie gemeinsam mit einem erst in Folge zwei auftauchenden jungen Soldaten (Joel Basman) für historische Strömungen und typische Schicksale stehen: Beimler wird im Verlauf der weiteren Folgen einer der führenden Köpfe der kommunistischen Revolution in Deutschland, Marina wandert nach Amerika aus und wird dort gefeierte Tänzerin, Marie-Jeanne entflieht der Unterdrückung ihrer Ehe, verliebt sich in Paris in einen Anarchisten, landet schließlich in Moskau und fällt dort in Ungnade, Apolonia wird unter dem Künstlernamen Pola Negri einer der größten Ufa-Stars. Die düsterste Figur in diesem Reigen ist der Soldat: Der glühende Patriot entpuppt sich als Rudolf Höß, späterer Auschwitz-Kommandant. Aha-Erlebnisse dieser Art gibt es immer wieder. Ähnlich wie Araber, Inder und Afrikaner hofft auch der vietnamesische Tellerwäscher Nguyen (Alexandre Nguyen), dass die Pariser Friedenskonferenz 1919 nicht nur Freiheit für Europa, sondern für die ganze Welt bringt; sein Land gehört zur französischen Kolonie Indochina. Seinen wahren Namen nennt er erst später: Ho Chi Minh. Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Protagonisten, die jedoch längst nicht so charismatisch sind. Im Grunde besteht "Krieg der Träume" aus 11 Filmen, die beim Schnitt kunterbunt durcheinander gewürfelt wurden. Verknüpft werden die Ebenen allein durch die Zeitlinie, aber ansonsten hüpft die Serie von Deutschland nach Frankreich nach Russland und wieder zurück. Gelegentlich versuchen Peter und Goupil, die Übergänge mit Anleihen beim Spielfilm zu lösen – in Russland wird geklopft, in Polen öffnet Pola Negri die Tür –, aber das funktioniert hier nicht, weil es weder lässig noch elegant wirkt. Zwischendurch verliert die Serie einige ihrer Figuren aus den Augen, sodass ihre Rückkehr etwas unvermittelt wirkt. Pola Negri begrüßt die Zuschauer in Folge zwei daher mit dem Satz "Sie sollten mich mittlerweile kennen", stellt sich dann aber trotzdem noch mal vor.

"Krieg der Träume" beeindruckt daher vor allem auf einer akademischen Ebene: Allein die Archivrecherche und der Schnitt müssen Unmengen an Arbeitsstunden verschlungen haben. Respektabel ist auch der Ansatz, die Jahre zwischen 1918 und 1939 gewissermaßen als Blaupause für die Gegenwart zu betrachten. Gerade der Wettstreit zwischen Demokratie und Faschismus trägt viele aktuelle Züge, und das nicht nur, weil Kampfbegriffe wie "Systempresse" mittlerweile wieder salonfähig sind. Den zweiten Teil zeigt die ARD morgen, Teil drei folgt am 24.