Monsun und anderes Elend - Ein Jahr Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch

Flüchtlingslager Cox´s Bazar in Bangladesch, in dem Rohingya-Flüchtlinge seit einem Jahr leben.
Foto: Zakir Hossain Chowdhury/ZUMA Wire/dpa
Blick auf die provisorischen Unterkünfte des weltweit größten Flüchtlingslagers Cox's Bazar, in dem Rohingya-Flüchtlinge seit einem Jahr leben. Die Bäume werden mittlerweile zu Brennholz verarbeitet.
Monsun und anderes Elend - Ein Jahr Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch
Vor einem Jahr begann die gewaltsame Vertreibung der muslimischen Rohingya aus Myanmar. Eine Million Menschen lebt im größten Flüchtlingscamp der Welt im bitterarmen Bangladesch. Not, Leid und Hoffnungslosigkeit prägen das Leben der Menschen. Der Monsun erschwert die Lage weiter.

Vor einem Jahr begann die gewaltsame Vertreibung der muslimischen Rohingya aus Myanmar, wo sie als staatenlose und damit rechtlose, illegale Einwanderer aus Bangladesch gelten. Ihre Dörfer in Rakhine wurden niedergebrannt, Frauen vergewaltigt, Menschen gefoltert und brutal ermordet. In einer bemerkenswerten und von der internationalen Gemeinschaft, Menschenrechts- und Hilfsorganisationen gepriesenen Geste der Humanität nahm das bitterarme Bangladesch 700.000 Flüchtlinge auf. Zusammen mit den rund 300.000 vor früheren Pogromen geflohenen Rohingya leben jetzt mehr als eine Million Flüchtlinge in dem größten Flüchtlingscamp Cox's Bazar weltweit.

Derzeit erschwert der Monsun das karge, von Not, Leid und Hoffnungslosigkeit geprägte Leben der Menschen in den Lagern zusätzlich. Die behelfsmäßigen Behausungen halten den Wolkenbrüchen und Stürmen oft nicht stand, überflutete Latrinen sind eine große Gesundheitsgefahr. 50.000 Flüchtlinge wurden seit Beginn des Monsuns im Mai Opfer von Wolkenbrüchen und Stürmen. An den für den Bau der Lager abgeholzten Hügeln nimmt mit jedem Regenguss die Gefahr von Erdrutschen zu. "Davon können bis zu 250.000 Menschen betroffen werden", warnt die Inter Sector Coordination Group (ISCG) der Hilfsorganisationen, Behörden und Vereinten Nationen (UN).

Lebenswichtig ist Wasser - zum Trinken, zum Kochen, zum Waschen, zum Duschen, für die Latrinen. 718.000 haben zwar Zugang zu Trinkwasser, 790.000 Menschen haben WASH-Hygiene-Kits erhalten, für 709.000 Menschen stehen Latrinen zur Verfügung, heißt es in der aktuellen Bilanz der ISCG. WASH ist das internationale Kürzel für alles rund um "Water, Sanitation and Hygiene".

Die schlechte Nachricht: rund 300.000 Menschen profitieren noch nicht von diesen Maßnahmen. 86 Prozent aller Trinkwasserbrunnen sind mit E.coli-Bakterien verseucht. Durch die schweren Regenfälle während des noch immer anhaltenden Monsuns wurden bereits mehr als 500 Latrinen beschädigt oder zerstört, Fäkalien gelangen ins Trinkwasser, Infektionskrankheiten wie Durchfall nehmen zu.

###galerie|146129|Rohingya: Ein Volk auf der Flucht###

"Wir planen gerade eine Wasseraufbereitungsanlage", erzählt Mustafa Kamal telefonisch aus Dhaka. Die Anlage soll in einem Teilbereich des Mega-Flüchtlingslagers entstehen. Der Experte der bengalischen Entwicklungs- und Umweltorganisation Nabolok nimmt es mit der Lagebeschreibung sehr genau: "Camp 26/Nayapara Extention, Block No- D-06 & E-08, Teknuf Upazila, Cox'sbazar District, Bangladesh". "Mit der Anlage werden mehr als 600 Familien sauberes Wasser bekommen", sagt Kamal. "Finanziert wird das Projekt von der Diakonie in Deutschland." Das Wasser wird dem Fluss Naaf entnommen, den die Rohingya bei der Flucht aus Rakhine unter oft lebensgefährlichen Umständen überqueren mussten.

WASH ist der Arbeitsschwerpunkt der Diakonie Katastrophenhilfe und ihrer beiden Partnerorganisationen in Bangladesch Nabolok und Christian Commission for Development (CCBD). Sie bauen Latrinen, Abwassertanks, Waschräume und sorgen für sauberes Wasser. Mit den sanitären Einrichtungen alleine ist es aber nicht getan. In den Camps gibt es keinen Strom und keine beleuchteten Wege. Frauen und Mädchen trauen sich im Dunkeln nicht mehr, die Latrinen aufzusuchen. Daher wurden zusätzlich Solarlampen installiert, die den Zugang zu den Toiletten ausleuchten.

Die einzige Möglichkeit der Essenszubereitung für die Rohingya ist das Kochen mit Brennholz auf offenem Feuer. Das führt zur Abholzung der umliegenden Wälder und Konflikten mit der ansässigen Bevölkerung. "Anfang November gab es rings um die Lager noch Wälder", sagt Evan Sarker von der CCDB. "Heute sind sie alle gerodet." Auch hier greifen die Partner der Diakonie ein. Sie verteilen aus Reishülsen gepresste Briketts sowie auch Gasöfen zum Kochen. "Wir versorgen die Haushalte regelmäßig mit Gas", sagt Sarker.

Im Flüchtlingslager wartet ein Mädchen darauf, ihren Behälter mit sauberem Trinkwasser füllen zu können.

Im Sommer dieses Jahres stand die Not der Rohingya im Zentrum der gemeinsamen Aktion "Die größte Katastrophe ist das Vergessen" der beiden kirchlichen Hilfswerke Caritas international und Diakonie Katastrophenhilfe. "Bisher konnten 400.000 Menschen mit den verschiedenen Hilfen der beiden kirchlichen Werke erreicht werden", heißt es in dem Aufruf.

Während die Diakonie sich eben auf WASH konzentriert, hat die Caritas Bangladesch in Kooperation mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk Tausende Übergangsunterkünfte gebaut. In Planung sind jetzt bessere Unterkünfte. "Den Bau dauerhafter Häuser haben die Behörden von Bangladesch nicht genehmigt", sagt James Gomes, Chef der für die Lager zuständigen Caritas des Bistums Chittagong in Bangladesch. Bangladesch wolle jeden Eindruck einer dauerhaften Ansiedlung oder gar einer Einbürgerung der Rohingya vermeiden, so Gomes.

Nach offizieller Darstellung von Myanmar war der Angriff der kleinen, mit selbst gemachten Flinten und Macheten bewaffneten Rohingya-Miliz ARSA auf einige Polizeistationen in Rakhine im August 2017 der Auslöser für die Vertreibung. Die Armee erklärte kurzerhand alle Rohingya zu Terroristen.

Menschenrechtler sehen das anders. "Völkermord passiert nicht spontan", sagt Matthew Smith, Leiter der Menschenrechtsgruppe "Fortify Rights". Vielmehr sei die Vertreibung der Rohingya von langer Hand geplant gewesen. Mit der Dokumentation "Sie gaben ihnen lange Schwerter" belegt Fortify Rights den schweren Vorwurf der systematischen ethnischen Säuberung und Völkermord.

Seit 2016 habe die Armee mit der Beschlagnahmung von "scharfen Gegenständen" die Rohingya "entwaffnet", mit dem Abriss von Zäunen vor Rohingya-Anwesen und mit der körperlichen Schwächung der Menschen durch das Verbot humanitärer Hilfe wie Lebensmittellieferungen die "ethnische Säuberung" vorbereitet. Parallel dazu habe die Armee massiv ihre Truppen verstärkt und die buddhistische Bevölkerung durch paramilitärische Ausbildung als Hilfstruppe rekrutiert.

Armee und Regierung von Myanmar weisen den Vorwurf der vorsätzlichen, gewaltsamen Vertreibung der Rohingya als maßlose Übertreibung westlicher Medien und vorsätzliche Diffamierung von Myanmar zurück. Gleichzeitig aber verhindern Staatsrätin Aung San Suu Kyi und Armeechef Min Aung Hlaing jede unabhängige Untersuchung der Vertreibung der Rohingya.

Die Rohingya werden zunehmend zu einem politischen Problem in Bangladesch. Zum einen könnte das Flüchtlingsthema im beginnenden Wahlkampf die ohnehin schon angespannte politische Situation weiter polarisieren. "Wie überall auf der Welt können auch in Bangladesch Neuankömmlinge verteufelt werden", warnt Zafar Sobhan, Chefredakteur der Tageszeitung Dhaka Tribune, bei einer Veranstaltung in Bangkok.

Zum anderen könnte eine Radikalisierung vor allem der frustrierten, jungen Rohingya zu einem immensen Sicherheitsproblem für Bangladesch und die Region werden. "Der Rohingya werden von islamischen Extremisten in Bangladesch und der Region für ihre Propaganda benutzt", warnt Nawab Osman, Experte für muslimische Gesellschaften in Asien der "S. Rajaratnam School of International Studies" in Singapur. Beim Rekrutieren von Rohingya-Flüchtlingen in Malaysia seien Terrorgruppen wie der Islamische Staat (IS) bislang nicht erfolgreich gewesen und zudem hätten fast 50 Imame der Rohingya in Rakhine eine Fatwa gegen den Jihad erlassen. "Aber in den Lagern gibt es grundsätzlich zwei Gruppen. Die der älteren Rohingya, die einfach das Beste aus ihrer Situation machen wollen", weiß Nawab Osman. "Die jüngere Generation aber ist unzufrieden und frustriert."

Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht, solange Myanmar den Rohingya keine sichere Rückkehr, keine Rechte, nicht die Staatsbürgerschaft garantiert. Zafar Sobhan spricht ein offenes Geheimnis aus: "Wir alle wissen, dass sie nicht zurückgehen."