EKD-Chef kritisiert verschärfte Verfahrensregeln

Heinrich Bedford-Strohm stellt er sich hinter das Kirchenasyl und wendet sich an die Gemeinden.
Foto: epd-bild/KNA/Harald Oppitz
Bedford-Strohm hat als bayerischer Landesbischof einen Brief an alle Gemeinden und Einrichtungen geschickt und stellt er sich hinter das Kirchenasyl.
EKD-Chef kritisiert verschärfte Verfahrensregeln
Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm hat als bayerischer Landesbischof einen Brief an alle Gemeinden und Einrichtungen geschickt. Darin stellt er sich hinter das Kirchenasyl und kritisiert die verschärften Verfahrensregeln dafür.
22.08.2018
epd
Daniel Staffen-Quandt

Die Diskussion ums Kirchenasyl geht weiter: Nachdem am Dienstag bekanntgeworden war, dass nur etwa jede zweite Gemeinde, die ein Kirchenasyl gewährt, den geforderten Verfahrensregeln nachkommt, ist am Mittwoch ein Brief des bayerischen evangelischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm an die Öffentlichkeit gelangt. Mit Datum vom 7. August schreibt er an alle Pfarrämter und kirchlichen Einrichtungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. In dem dreiseitigen Schreiben kritisiert er die neuen Regeln für Kirchenasyle.

Durch die seit 1. August 2018 geltenden neuen Regeln würden den Gemeinden mit Kirchenasylen "Aufgaben vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) aufgebürdet, die in manchen konkreten Fällen schwer umzusetzen sind", schreibt Bedford-Strohm in seinem Brief, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Sollten sich Gemeinden nicht daran halten, müssen Flüchtlinge 18 Monate und nicht wie bislang sechs Monate im Kirchenasyl ausharren, um nicht ins Erstaufnahmeland abgeschoben zu werden. Zudem riskieren die Gemeinden ein Strafverfahren.

Kirchenasyle, die Menschen "in einer nachweislich besonderen Notsituation aufnehmen, haben meine Unterstützung", schreibt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in dem Brief, über den zunächst die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichteten: "Ein Kirchenasyl ist zunächst eine christliche Tat der Nächstenliebe." Menschen in Notsituationen zu helfen sei "unsere Christenpflicht". Wichtig sei aber auch eine "gute und konstruktive Kommunikation mit dem Rechtsstaat". Kirchenasyle stellten diesen nicht infrage, es gehe vielmehr "im Gegenteil um ein Eintreten für seinen tieferen Sinn".

Viele Christen, die ein Kirchenasyl organisieren, empfänden es aber so, dass ihr Hilfehandeln "immer stärker auf einen Verwaltungsakt reduziert wird". Zu den Verfahrensregeln gehört, dass sie vor jedem Kirchenasyl ihren jeweiligen landeskirchlichen Ansprechpartner informieren und innerhalb vier Wochen ein Dossier einreichen müssen, anhand dessen der Fall erneut geprüft wird. Am Dienstag war bekanntgeworden, dass bundesweit und konfessionsübergreifend nur etwa in der Hälfte aller Kirchenasyle ein solches Dossier eingereicht wurde.

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, verteidigte die Gemeinden gegen Vorwürfe, sich beim Kirchenasyl nicht an Absprachen mit dem Staat zu halten. Zwar stimme es, dass nur etwa die Hälfte der betroffenen Gemeinden sogenannte Härtefall-Dossiers für Flüchtlinge erstellt hätten, die Schutz in den Kirchen suchten, sagte sie "MDR Aktuell" am Mittwoch in Halle. Allerdings seien diese Dossiers auch alles andere als leicht anzufertigen.

Junkermann sagte dem Sender, die jetzt geforderte Frist von vier Wochen sei dafür viel zu kurz. "Für die Kirchengemeinden ist es sehr, sehr schwierig, in so kurzer Zeit ein Dossier zu erstellen", sagte sie. Als Laien seien sie auf externen juristischen und medizinischen Sachverstand angewiesen, den sie nicht immer so schnell bekommen könnten. Jeder wisse doch, wie lange man oft auf einen Termin bei einem Facharzt warten müsse, so die Bischöfin. Auf einen Vorschlag für eine zeitliche Vorgabe wollte sie sich nicht festlegen.

"Eine Prüfung der humanitären Notlage wurde oft nur bedingt vorgenommen"

Bedford-Strohm schreibt in seinem vor mehr als zwei Wochen datierten Brief dazu: Selbst wenn alle formalen Vorgaben eingehalten würden, sei nach bisheriger Praxis des Bamf sehr wahrscheinlich, dass das Dossier abgelehnt werde. Bundesweit habe die Behörde in 21 Prozent der Fälle den Selbsteintritt erklärt, also das Asylverfahren an sich gezogen, in 79 Prozent seien die Dossiers oft aus formalen Gründen abgelehnt worden. "Eine Prüfung der humanitären Notlage wurde oft nur bedingt vorgenommen", schreibt der Landesbischof weiter.

Zwischen 1. Januar 2017 und 30. Juni 2018 hatten katholische, evangelische und freikirchliche Gemeinden laut der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstag) 2.533 Fälle von Kirchenasyl gemeldet. Beim Kirchenasyl werden Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus von Kirchengemeinden zeitlich befristet beherbergt. Ziel ist es, in Härtefällen eine unmittelbar drohende Abschiebung in eine gefährliche oder sozial unzumutbare Situation zu verhindern und eine erneute Prüfung des Falles zu erreichen.