TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Das Gespenst der Freiheit" (ARD)

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TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Das Gespenst der Freiheit" (ARD)
19.8., ARD, 20.15 Uhr
Wenn eine Geschichte schon so düster ist wie die Handlung dieser finsteren Münchener "Polizeiruf"-Episode, dann soll draußen wenigstens die Sonne scheinen; tatsächlich wirkt es ein wenig, als habe die ARD den Film "Das Gespenst der Freiheit" lieber im Sommer zeigen wollen, wenn deutlich weniger Menschen ihre Freizeit vor dem Fernseher verbringen. Regisseur Jan Bonny steht ohnehin für einen Anspruch bis an den Rand der Zumutbarkeit.

Sein erster "Polizeiruf" aus München, "Der Tod macht Engel aus uns allen" (2013), war ein höchst intensiv und konzentriert inszenierter Film über den mysteriösen Tod eines transsexuellen Mannes in einer Polizeistation. "Borowski und das Fest des Nordens" (2017), ein "Tatort" aus Kiel, war nicht minder sehenswert. Das Psychologenporträt "Über Barbarossaplatz" (2017) war allerdings derart sperrig, dass die ARD den Film erst am späten Abend ausgestrahlt hat. Bonnys zweiter "Polizeiruf", die dritte Zusammenarbeit mit Matthias Brandt nach dem vielfach ausgezeichneten Ehedrama "Gegenüber" (2007), ist ebenfalls eine Herausforderung. Zentrale Figuren neben Hauptkommissar Hanns von Meuffels sind eine Handvoll Jugendliche, die mit ihrem großspurigen Gehabe und ihrer ständigen Gewaltbereitschaft eine höchst unangenehme Stimmung verbreiten. Die Clique hat einen Deutschtürken buchstäblich zu Tode getreten; angeblich hatte der junge Mann zuvor in einer Unterführung eine Frau belästigt. Deren Aussage klingt glaubwürdig, aber da weiß Meuffels auch noch nicht, dass "Glupschi" (Ricarda Seifried) ebenfalls zu der rechtsextremistisch orientierten Bande gehört. Einer der Jungs, Glupschis Freund Farim (Jasper Engelhardt), passt nicht recht in die Gruppe, und das nicht nur wegen seiner iranischen Wurzeln. Meuffels will ihn überreden, gegen die anderen auszusagen, aber Farim bekommt ein Angebot vom Verfassungsschutz, das er nicht ablehnen kann; und spätestens jetzt ist klar, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird.

Matthias Brandt und Joachim Król haben nicht viele gemeinsame Szenen, doch der Film verdankt seine Qualität nicht zuletzt dem Duell zwischen diesen beiden herausragenden Schauspielern. Król hat dabei die etwas facettenreichere Rolle: Verfassungsschützer Röhl zieht alle Register, um Farim zur Mitarbeit zu bewegen, und da Król in der Regel Sympathieträger verkörpert, ist die Besetzung umso perfider. Entsprechend glaubwürdig ist Röhls joviales Auftreten zu Beginn, als er das Vertrauen des jungen Mannes gewinnen will, aber natürlich lässt er später die Maske fallen, wenn Farim aussteigen will. Machtlos muss Meuffels feststellen, dass der Verfassungsschutz mit seinen Zuwendungen überhaupt erst dafür gesorgt hat, dass es rechtsextremistische Strukturen gibt; der fatalistische Schluss, als Röhl längst wieder irgendwo anders sein Unwesen treibt, passt ins Bild. "Eines Tages wird euch das alles um die Ohren fliegen", sagt der Polizist gegen Ende; eine Prophezeiung, die spätestens mit der Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds längst Wirklichkeit geworden ist.

Gerade in dieser Mischung aus Empörung und Ohnmacht liegt die Faszination der Rolle, und es zeigt sich erneut, wie untrennbar sie mit Matthias Brandt verbunden ist. Anfangs kostet der Schauspieler noch die Süffisanz aus, mit der Meuffels den Fall behandelt: "Gewalt ist schwer zu dosieren, wenn man sie sorglos genießen will", sagt der Kommissar am Anfang zu den Jugendlichen, die er gern wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Haft sehen würde. Die Kooperationsbereitschaft des Staatsanwalts hält sich jedoch in engen Grenzen; später, als die Bande wieder auf freiem Fuß ist, wird Meuffels ihn mit "Heil Hitler" grüßen. Der Film basiert auf einer Idee von Dominik Grafs langjährigem Koautor Günter Schütter, der auch schon an "Der Tod macht Engel aus uns allen" beteiligt war. Nach Schütters Vorlage hat Bonny viele Szenen mit den Schauspielern frei gestaltet. Wie sehr das Thema Rechtsextremismus die Geschichte prägt, zeigt sich nicht nur in den Szenen mit den Jugendlichen, die sich auch schon mal mit "Sieg Heil" begrüßen: Meuffels bittet seinen jungen Kollegen Ayhan (Kais Setti), im Präsidium nicht über den Fall zu sprechen, damit "die Rechten" nicht alles mitbekommen. Und Röhl erklärt: Wenn ein Großteil der Bevölkerung rechts wählt, ist der Neonazi kein Außenseiter mehr. Deshalb verhallt Meuffels Warnung an die Jugendlichen, denen er erklärt, sie lägen am Boden eines Abgrunds, aus dem sie nie wieder raus kämen.

Zu dieser beklemmenden Gemengelage passt auch Bonnys Bildgestaltung. Kameramann Nikolai von Graevenitz, auch er bereits an "Der Tod macht Engel…" beteiligt, gibt den Aufnahmen einen rohen Look, der sie dokumentarisch wirken lässt. Das verleiht zwar gerade den Auftritten der Clique eine spezielle Authentizität, trägt aber ebenfalls dazu bei, dass "Das Gespenst der Freiheit" insgesamt ein sehr unbequemer Film ist; von den diversen brutalen Szenen, in denen hemmungslos auf Menschen eingeprügelt und -getreten wird, ganz zu schweigen.