TV-Tipp: "Ein Mann unter Verdacht" (ZDF)

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TV-Tipp: "Ein Mann unter Verdacht" (ZDF)
13.8., ZDF, 20.15 Uhr
Der unterkühlte Thriller ist eine eher seltene Farbe im deutschen TV-Krimi. Der Stil dieser Filme entspricht dem "Neo-Noir"-Kino. Die Filme orientieren sich inhaltlich an den Klassikern des Genres, als Detektive ständig von schönen Frauen für deren perfide Pläne benutzt wurden, pflegen aber eine ganz andere Ästhetik; Regisseure wie Paul Verhoeven (mit "Basic Instinct") und Brian De Palma ("Femme Fatale") haben diesen speziellen Look perfektioniert. Auch "Ein Mann unter Verdacht" folgt diesem Muster.

Ein Großteil der Handlung spielt sich in einem modernen Haus ab, das mit seinen Designermöbeln und kahlen Betonwänden kalt und unheimisch wirkt. Zentrale Figur der Geschichte ist ein erfolgreicher Architekt, den Mark Waschke so geschickt verkörpert, dass die Frage nach Schuld oder Unschuld tatsächlich bis zum Schluss offen bleibt. Als Hauptrolle genießt Robert Altmann automatisch gewisse Sympathien, zumal der ermittelnde Polizist (Peter Kurth) den Fall persönlich nimmt und ihn unbedingt überführen will.

Tatsächlich sprechen alle Indizien gegen Altmann. Allem Anschein nach hat er nach einem Streit seine anstrengende Frau Anja (Deborah Kaufmann) ermordet. Angeblich wollte sich Anja scheiden lassen; da ihr sowohl das Haus als auch die Firma gehören, hätte sich Altmann von seinem Lebensstil verabschieden müssen. Bei seinen Aussagen verwickelt er sich in Widersprüche und gibt bestimmte Details erst dann preis, als sie für die Polizei offenkundig sind. Erschwerend kommt hinzu, dass sein Schwiegervater (Hanns Zischler), ein einflussreicher Mann, seine Beziehungen spielen lässt; für ihn steht außer Frage, dass seine Tochter nicht mehr lebt. Es gibt nur ein Problem, nämlich keine Leiche; trotzdem kommt es zum Prozess.

Viel interessanter als die Toten aber sind in Filmen dieser Art die Lebenden. Autor Stefan Kolditz, bekannt geworden durch seine Drehbücher zu herausragenden historischen Fernsehfilmen wie "Dresden", "Unsere Mütter, unsere Väter" oder "Nackt unter Wölfen", macht aus dem Paar ein Trio und bringt auf diese Weise zusätzliche emotionale Spannung in die Geschichte: Altmann lässt sich von Lavinia Bertok (Petra Schmidt-Schaller) verteidigen, einer Anwältin, die noch keinen Prozess verloren hat; der Film beginnt mit einem Freispruch für Männer, denen man jede Schandtat zutrauen würde. Pikanterweise war Lavinia vor vielen Jahren nicht nur mit Altmann, sondern auch mit Anja liiert, und als sie mit ihrem Mandanten eine Nacht verbringt, gibt es auch dank der entsprechenden Inszenierung durch Thomas Stuber, der zuletzt ebenfalls nach einer Kolditz-Vorlage die sehr gute "Tatort"-Episode "Verbrannt" gedreht hat (der letzte Film mit Schmidt-Schaller an der Seite von Wotan Wilke Möhring), viel Raum für Spekulationen.

Natürlich lebt "Ein Mann unter Verdacht" vor allem von der Frage, ob die Hauptfigur, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, tatsächlich ein Mörder ist, denn für die scheinbar erdrückenden Indizien lassen sich auch ganz andere Erklärungen finden. Nicht minder spannend sind die Gedankenspiele, wer mit wem unter einer Decke steckt. Das funktioniert ausgezeichnet, weil Petra Schmidt-Schaller ihre Rolle ähnlich undurchsichtig anlegt wie Mark Waschke den Architekten: betont kühl, sehr beherrscht und gerade im Umgang mit den Ermittlern überlegen bis an den Rand der Arroganz. Zwischenzeitlich ist sogar denkbar, dass die psychisch labile Anja wie die Ehefrau aus dem Hollywoodfilm "Gone Girl – Das perfekte Opfer" ihrem Mann einen bösen Streich gespielt hat. Selbst ein Komplott der beiden Frauen gegen den Mann ist möglich.

Reizvoll ist auch das erzählerische Konzept: Die eigentliche Handlung beginnt mit Anjas Geburtstagsfest und setzt dann erst vier Tage später wieder ein. Was sich in der Nacht nach der Feier ereignet hat, wird in Rückblenden nachgereicht, die sich aber je nach Sichtweise unterscheiden, denn auch die Theorien des Kommissars werden auf diese Weise illustriert. Er ist überzeugt, dass Altmann Anja erstochen und die Leiche irgendwo im Wald vergraben hat. Selbst bereits bekannte Szenen bekommen durch die Rückblenden neue Bedeutungen, weil Stuber dank eines Schnitts zur rechten Zeit bestimmte Informationen zurückhält.

Obwohl Kolditz’ Drehbuch ziemlich raffiniert ist, gibt es doch die eine oder andere Schwachstelle. Die Polizei weiß zum Beispiel, dass sich Anja bei einem nächtlichen Anruf nach ihrem Verschwinden keineswegs im Ferienhaus der Familie aufgehalten hat; die Behauptung, in Wirklichkeit habe sich ihr Mobiltelefon zu diesem Zeitpunkt in der Küche befunden, erscheint allerdings weit hergeholt. Auch die Einleitung des Schlusses ist nicht überzeugend, zumal das Finale vor Gericht ruhig etwas kraftvoller hätte ausfallen können. Trotzdem ein sehenswerter Thriller, in dem nicht zuletzt die hintergründige Musik von Bert Wrede großen Anteil daran hat, dass man sich seiner Sache nie sicher sein kann.