TV-Tipp: "Zimmer mit Stall: Berge versetzen"

Altmodischer Fernseher steht auf Tisch.
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Zimmer mit Stall: Berge versetzen"
14.6., ARD, 20.15 Uhr
Städterin will zurück zur Natur und trifft auf störrische Einheimische: Die Idee zu "Zimmer mit Aussicht" klang zunächst wie eine jener Geschichten, die die ARD-Tochter Degeto im Rahmen des Freitagsfilms schon oft erzählt hat.

Auch der Handlungskern schien zunächst übersichtlich: Die Münchnerin Sophie (Aglaia Szyszkowitz) will aus dem idyllisch gelegenen oberbayerischen Fuchsbichlerhof eine Pension machen. Zum Inventar gehört unter anderem ein sturer Esel (Friedrich von Thun), der gar nicht einsieht, warum er der Ziege aus der Stadt den Hof ohne Widerstand überlassen sollte. Weil ihm der Kaufvertrag eine lebenslange Nutzung der Stallungen einräumt, zieht der alte Barthl kurzerhand in den Stall und macht der sympathisch chaotischen Sophie fortan das Leben schwer.

Da die Inszenierung früh verdeutlichte, dass eine Romanze zwischen den beiden ausgeschlossen sei, lebte die Komödie im Grunde ausschließlich von diesem Zweikampf. In der letzte Woche ausgestrahlten Fortsetzung "Tierisch gute Ferien" von Ralph Huettner (Buch und Regie) denunzierte und intrigierte Barthl weiterhin nach Kräften, zumal Sophie nun Verstärkung hatte: Ein Feriengast (Alexander Beyer) ist Architekt, erkennt das Potenzial des Anwesens und entwirft im Handumdrehen Ausbaupläne, die Barthl mit allerlei miesen Tricks sabotiert.

Das Potenzial der Kernidee schien nach dem zweiten Film jedoch erschöpft. Insofern ist Episode drei, "Berge versetzen", eine kleine Überraschung, denn Huettner konfrontiert die Kontrahenten nun mit einem gemeinsamen Gegner. Getreu dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" müssen die beiden kooperieren, um die Pläne von Barthls Bruder zu durchkreuzen: Ludwig (Christian Hoening) will ihnen mitten im Naturschutzgebiet einen hochmodernen Campingplatz vor die Nase setzen; die Idylle wäre dahin. Weil Sophie die Einspruchfrist versäumt hat, brauchen sie die Unterstützung der Einheimischen, um eine Sondersitzung des Gemeinderats zu beantragen. Die Chancen stehen schlecht, denn Sophie ist zugereist; und der notorisch schlecht gelaunte Barthl hat im Lauf der Jahre sämtliche Mitbürger vor den Kopf gestoßen.

Der Reiz der Geschichte liegt nicht zuletzt in der Verdoppelung: Das von Huettner bearbeitete Drehbuch (Judith Westermann) hält Barthl und Sophie einen Spiegel vor. Pensionsgäste sind diesmal die heillos zerstrittene Führungsebene eines Familienunternehmens (unter anderem Petra Kleinert und Tayfun Bademsoy). Das Quartett soll mit Hilfe eines prominenten Coachs (Steffen Groth) wieder lernen, an einem Strang zu ziehen. Barthl und Sophie können Ludwigs Pläne ebenfalls nur als Team vereiteln. Also besuchen auch sie das Seminar, wobei prompt allerlei unbequeme Wahrheiten ans Tageslicht kommen. Sehr lehrreich nicht nur für die Beteiligten ist zum Beispiel die Übung "gespiegelte Wahrnehmung". Spätestens jetzt zeigt sich erneut, wie gut die Kombination Friedrich von Thun/Aglaia Szyszkowitz funktioniert, als sich Barthl in die Rolle seiner Nachbarin versetzt und verkündet: "Ich habe keine Ahnung, weiß aber alles besser." Eine Lehre fürs Leben ist auch die Erkenntnis, dass niemandem geholfen ist, wenn man sich ständig gegenseitig den Schwarzen Peter zuschiebt.

Dass der Film trotzdem insgesamt nicht so flüssig und kurzweilig wirkt wie die beiden anderen Episoden, liegt nicht zuletzt an der etwas sprunghaften Erzählweise, zumal zwei weitere Gastrollen über weite Strecken keinerlei Bezug zur Geschichte haben: Juliane Köhler und Max Herbrechter spielen ein Journalistenpaar, das über den Themenkomplex Camping und Freizeit schreibt und über Ludwigs "Bergtraum" berichten soll. Das Ehepaar taucht immer wieder mal auf, aber in die Handlung greift es erst gegen Ende ein, als es samt Wohnmobil rückwärts den Abhang hinunter im Funkloch verschwindet. Dass sich Barthl und Sophie auf dem Fußweg zur Unglücksstelle viel Zeit nehmen, um einem Esel Harmonie vorzugaukeln, ist ein völlig überflüssiger dramaturgischer Umweg; viel wichtiger für den Schluss der Geschichte ist die den ganzen Film hindurch quakende blauschimmernde Bergkröte.

Anders als in "Tierisch gute Ferien" spielt diesmal auch Sophies Tochter eine größere Rolle: Leonie will Köchin werden und deshalb vorzeitig die Schule beenden. Konflikte zwischen Müttern und Töchtern sind nicht nur für die mehrheitlich weibliche Zielgruppe der Freitagsfilme im "Ersten" interessant, aber davon abgesehen ist Carolin Garnier ein echter Gewinn für die Reihe; sie hat schon in einer Episode von "Tonio & Julia" ("Schuldgefühle", ZDF) unübersehbare Akzente gesetzt. Die junge Schauspielerin hat ihre ersten Kamera-Erfahrungen einst als Mitglied der Kinderdetektive "Die Pfefferkörner" gesammelt und sich bereits in dem Verschwörungs-Thriller "Im Tunnel" (ZDF 2018) für höhere Aufgaben empfohlen. Eine besondere Erwähnung wert ist darüber hinaus der schöne Bottleneck-Blues (Sebastian Horn, Peter Horn). Auch die musikalischen Auftritte von Barthl und seinem Freund Ferdl (Philipp Sonntag) sind derart hörenswert, dass die beiden in etwaigen weiteren Filmen ruhig öfter auftreten sollten.