Diakonie-Präsident: Tafeln keine Antwort auf strukturelle Armut

Foto: epd-bild/Norbert Neetz
Diakonie-Präsident: Tafeln keine Antwort auf strukturelle Armut
Nach der Kritik am Aufnahmestopp für Ausländer an der Essener Tafel fordert Diakonie-Präsident Ulrich Lilie mehr Anstrengungen im Kampf gegen die Armut in Deutschland. Die Vorgänge in Essen seien "auch ein klares Indiz für Versäumnisse in der Politik", sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtverbandes am Samstag dem Deutschlandfunk Kultur.

Die Tafeln seien eine "wunderbare Bewegung", die an vielen Stellen Not lindern, so Lilie: Sie seien aber "keine Antwort auf das strukturelle Armutsproblem in Deutschland". Bundesweit gibt es rund 940 Tafeln, die überschüssige Lebensmittel sammeln und damit regelmäßig bis zu 1,5 Millionen Menschen versorgen.

Lilie: "Wir müssen darüber reden, wie wir mit Armut strukturell umgehen wollen, wie wir die Hartz-IV-Sätze besser machen." Die Regelsätze müssten dringend angepasst werden, mahnte Lilie. In Städten mit einer relativ hohen Zahl an Bedürftigen kämen zudem nun noch Flüchtlinge hinzu. Daher zeige sich hier auch ein Integrationsproblem. 

Zu den Vorgängen in Essen sagte Lilie, er wolle von außen keine Ratschläge geben. Die Entscheidung bezeichnete er als "unglücklich". Er wäre sinnvoll gewesen, man hätte sich vorher Beratung geholt, etwa vom Sozialdezernenten der Stadt. Eine solche Abstimmung hätte die Situation wohl entschärft. 

Lilie forderte insgesamt einen neuen Ansatz zur Armutsbekämpfung in Deutschland. Ein Mittel dazu seien zum Beispiel kommunale Runde Tische. Wo in dieser Form mehr Austausch zwischen den Trägern stattfinde, gebe es oft weniger Probleme. Zudem bestehe ein hoher Abstimmungsbedarf mit der Politik.  

Die Essener Tafel steht bundesweit in der Kritik, nachdem bekanntgeworden war, dass sie nur Bedürftige mit deutschem Pass als neue Kunden aufnehmen will. Die Essener Tafel begründet ihr Vorgehen damit, dass der Anteil der Migranten unter den 6.000 Kunden der Tafel seit 2015 von rund 35 auf 75 Prozent gestiegen sei. Vor allem alte Leute und alleinerziehende deutsche Mütter hätten sich bei der Lebensmittelausgabe nicht mehr wohl und durch Zuwanderer bedrängt gefühlt. Neben Kritik gibt es aber auch Verständnis dafür, dass die Tafeln überfordert sind.