TV-Tipp: "Unter anderen Umständen: Das Geheimnis der Schwestern" (ZDF)

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TV-Tipp: "Unter anderen Umständen: Das Geheimnis der Schwestern" (ZDF)
19.2., ZDF, 20.15 Uhr
Letztlich ist jeder Krimi wie der andere: eine Leiche, Befragungen, Ortungen von Telefonen, noch mehr Befragungen, Auflösung. Den Unterschied machen in der Regel nicht die Ermittlungen, sondern die Ermittler aus, weshalb gerade bei Reihen das Privatleben der Kommissarinnen und Kommissare oft eine wichtige Rolle spielt. Viel interessanter als die verschiedenen Be- oder Erziehungsprobleme, die allzu oft wie lästige Unterbrechungen der eigentlichen Geschichte wirken, sind jedoch fast immer etwaige Spannungen innerhalb der Teams. Im besten Fall schaukeln sich die beiden Ebenen gegenseitig hoch.

In "Das Geheimnis der Schwestern", der 14. Episode der ZDF-Reihe "Unter anderen Umständen", sorgt Autor André Georgi mit einem ebenso einfachen wie folgenreichen Einfall dafür, dass die Atmosphäre zwischen den Ermittlern von Anfang an vergiftet ist: Jana Winter (Natalia Wörner) bewirbt sich um einen Lehrgang, der mit ihrer Beförderung zur Kriminalrätin enden würde. In zwei Jahren könnte sie Dienststellenleiterin der bis dahin erweiterten Kripo Schleswig werden; das ist der Posten, den derzeit ihr Chef Arne Brauner (Martin Brambach) innehat, und natürlich hält sich seine Begeisterung in Grenzen. Dass er von ihrer Bewerbung weiß, behält er allerdings zunächst für sich, weshalb sie keine Ahnung hat, warum ihr Vorgesetzter so dünnhäutig ist. Martin Brambach wird zwar auch mal laut, aber in vielen Szenen genügen kleine mimische Momente, um Brauners Verletztheit zu verdeutlichen. Es gibt ohnehin nur wenige Schauspieler, die ihr Handwerk derart virtuos beherrschen; Brambach weiß genau, wann eine winzige Verzögerung die Wirkung einer Reaktion verstärkt.

Zumindest für langjährige Freunde der seit 2006 ausgestrahlten Reihe sind die Verwerfungen innerhalb des Teams, zu dem auch noch Ralph Herforth als Matthias Hamm gehört, fast interessanter als der Fall, aber auch der hat es in sich. Der Film beginnt mit einem Streit zwischen einem Zuhälter und seiner Prostituierten; selbstredend ist der Mann der erste Verdächtige, als die junge Frau am nächsten Morgen tot aufgefunden wird, zumal er durch eine anonyme Anruferin belastet wird. Da sich Wildschweine über den Leichnam hergemacht haben, sind die Details ziemlich unappetitlich, erst recht für Zuschauer mit lebhafter die Vorstellungskraft; die Bilder selbst (Kamera: Nathalie Wiedemann) sind im Grunde gar nicht so schlimm. Der Fall scheint also klar, doch irgendetwas stimmt mit der Aussage der Anruferin nicht, und tatsächlich führen die Ermittlungen schließlich in eine völlig andere Richtung: In der Mordnacht hat Großhändler Steinberg (Bernhard Schir) in seiner Villa eine Party für Geschäftspartner gegeben und zu diesem Zweck mehrere Prostituierte engagiert. Zu den Damen gehörte nicht nur das Opfer, sondern zur Verblüffung des Trios auch die Anruferin, Katharina Seidel (Nele Mueller-Stöfen), eine brave Ehefrau und Mutter. Ihr aufgrund einer Rückenverletzung arbeitsunfähiger und entsprechend verbitterter Mann Andreas (Martin Lindow) hat keine Ahnung von ihrem Nebenjob; einzige Mitwisserin ist ihre Schwester (Jana Striebeck), die sie am fraglichen Abend zu der Villa gefahren hat.

Die entsprechende Erkenntnis sorgt nicht nur für ein emotionales Finale, weil Andreas Seidel überzeugt ist, Gattin Katharina habe eine Affäre, sie beschert der Handlung dank des unvermeidlichen Ehedramas auch eine dritte Erzählebene. Eher subtil läuft dagegen eine vierte ab, aber die zieht sich durch den gesamten Film: Viele Szenen sind geprägt von Konfrontationen zwischen Männern und Frauen. Als Jana rausfindet, dass ihr Chef in ihrem Schreibtisch geschnüffelt und die Einladung zum Gespräch beim LKA gelesen hat, will sie wissen, ob er ähnlich verletzt reagiert hätte, wenn sich ein Mann um den Posten beworben hätte. Hamm hat auch überhaupt keine Lust darauf, dass demnächst womöglich eine Frau die Kommandos gibt. Bei der Vernehmung Steinbergs pflegt Jana eine völlig andere Gesprächsform als ihr Kollege. Der Unternehmer wiederum geht vermutlich nur deshalb auf den etwas anrüchigen Deal ein, den sie ihm schließlich anbietet, weil sie eine Frau ist. Der Mord und die Zuspitzung der Geschichte gegen Ende sind ebenfalls das Resultat eines Geschlechterkampfs.

Regisseurin Judith Kennel hat bislang alle 14 Episoden inszeniert. Dass sich die Reihe auf konstant hohem Niveau bewegt, ist selbstverständlich nicht zuletzt ihr Verdienst. Das um wechselnde Mitspieler ergänzte Trio Wörner/Brambach/Herforth war schon beim ersten Film dabei. Die Vertrautheit ist den Inszenierungen anzumerken. Dass daraus keine Routine geworden ist, dürfte neben der schauspielerischen Qualität ebenfalls Kennel zu verdanken sein, vor allem, wenn die Drehbücher wie in diesem Fall geschickte Reizpunkte setzen und die überraschenden Wendungen raffiniert eingefädelt und vor allem plausibel sind.