Und wie ist Ihre persönliche Bilanz?

Und wie ist Ihre persönliche Bilanz?
Das Reformationsjubiläum aus der Sicht von zehn Prominenten
Von Impulsen zum Denken und einer Generation 2017: Am 31. Oktober endet das Jubiläumsjahr zu 500 Jahren Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Das gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte. Der Evangelische Pressedienst hat zehn Prominente aus Politik, Kultur, Kirchen und Religionsgemeinschaften nach ihrer persönlichen Bilanz des Reformationsjubiläums gefragt:

 KULTURSTAATSMINISTERIN MONIKA GRÜTTERS (CDU): "Wir blicken zurück auf ein sehr gelungenes Jubiläumsjahr, das wir vor allem dem Engagement zahlreicher Mitstreiter aus Kirche, Bund, den Ländern und Kommunen sowie aus der Zivilgesellschaft verdanken. Mit Herzblut und Überzeugung haben sie die weltbewegende Kraft der Reformation in unser Bewusstsein gerückt. Diese intensive Auseinandersetzung mit 500 Jahren Reformationsgeschichte hat uns in Erinnerung gerufen, dass das christliche Wertefundament des geeinten Europas alles andere als selbstverständlich ist. Und die Bereitschaft beider Kirchen, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen, macht zuversichtlich. Darin liegt der Erfolg des Reformationsjubiläums, das wir weltoffen und ökumenisch gefeiert haben."

 SACHSEN-ANHALTS MINISTERPRÄSIDENT REINER HASELOFF (CDU): "Das Reformationsjubiläum hat in der ganzen Welt Interesse und Aufmerksamkeit für einen der großen Aufbrüche der Völker in die Neuzeit aber auch ganz konkret für unser Land Sachsen-Anhalt geweckt. In den Lutherstädten Eisleben, Mansfeld und Wittenberg finden sich entscheidende authentische Orte, die zweifellos auch über das Jubiläumsjahr hinaus Menschen von allen Kontinenten anziehen werden und für die Identität unseres Bundeslandes bestimmend bleiben. Ich habe mich besonders darüber gefreut, dass wir das gesamte Gedenken in einem zutiefst ökumenischen Geist gestalten konnten. Darin sehe ich auch eine Verpflichtung für die Zukunft."

 THÜRINGENS MINISTERPRÄSIDENT BODO RAMELOW (LINKE): "'Thüringen als Lutherland entdecken und entwickeln.' Dieses selbstgesteckte Ziel der Landesregierung ist erfüllt. Dieser Erfolg wird uns weiter begleiten und inspirieren: 500 Jahre Bibelübersetzung auf der Wartburg 2021, 500 Jahre Deutscher Bauernkrieg 2025 in und um Mühlhausen. Ich freue mich, dass wir - gemeinsam mit den Kirchen - eine fröhliche 'Bürgerbewegung' in Gang setzen konnten. Der vielgestaltige Klang der Stimmen der Reformation lockt so viele Gäste zu den authentischen Orten wie nie zuvor. Und sie entdecken: Es lebt sich gut in unserem weltoffenen, gastfreundlichen und wunderbaren Lutherland Thüringen."

 SCHAUSPIELERIN ANKE SEVENICH, PROMINENTEN-BOTSCHAFTERIN ZUM REFORMATIONSJUBILÄUM: "Ich habe einiges gelernt in diesem Jahr, viel Neues über Martin Luther, aber auch über die Zeit, in der er lebte und die er mit geprägt hat. Eine Zeit großer Veränderungen, die die Entdeckung neuer Kontinente, die Erforschung fremder Himmelskörper, die Erfindung des Buchdrucks und eine Neuausrichtung im philosophischen Denken mit sich brachte. Eine Zeit des Aufbruchs, die in den künstlerischen Meisterwerken der Renaissance ihren Spiegel findet. Alles in allem eine Zeit, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und Martin Luther war ein Teil dieses Aufbruchs. Er setzte Impulse für ein neues Denken, das bis heute wirkt."

 SCHAUSPIELER SAMUEL KOCH, PROMINENTEN-BOTSCHAFTER ZUM REFORMATIONSJUBILÄUM: "Die Feierlichkeiten zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation haben alle ihren eigenen Charme, und keine Aktion dürfte fehlen. Auf jeder Veranstaltung, an jedem Ort, bei jeder Ausstellung, auf jedem Weg begegnen sich Menschen. Deshalb möchte ich auch keine besondere Veranstaltung herausheben. Denn das Wertvollste ist immer die Begegnungen und der Austausch mit Menschen! Wenn am 31. Oktober 2017 noch einige große Schlussveranstaltungen stattfinden, würde ich mir wünschen, dass die Reformation (wie auch die ursprüngliche Wortbedeutung ausdrückt) nie ein Ende findet."

 SÄNGER JULIAN SENGELMANN, PROMINENTEN-BOTSCHAFTER ZUM REFORMATIONSJUBILÄUM: "Ich habe in diesem Jahr gelernt, dass Reformation immer noch ein spannendes Thema ist, das Relevanz hat, wenn man es schafft, die Grundüberzeugungen zu übersetzen, ins eigene Leben zu holen und eine Sprache zu finden, die Menschen verstehen und berühren können. Und dass wir immer kritisch sein müssen - eben auch mit uns selbst als Christenmenschen und als Kirche. Denn wenn wir uns nicht - getreu dem Motto "ecclesia semper reformanda" - immer wieder neu ordnen und prüfen und das auch im Kontext der Menschen machen, die mit Glauben und Kirche nichts zu tun haben, verschenken wir die Chance auf Dialog.

 HEINRICH BEDFORD-STROHM, RATSVORSITZENDER DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: "Ich bin dankbar für ein friedliches und weltoffenes Jubiläum mit vielen tausend Veranstaltungen überall in Deutschland. Martin Luthers reformatorische Einsichten wurden vielfach interpretiert und aktualisiert. Erstmals in der Geschichte war dies ein Jubiläum ohne nationalistische und anti-katholische Stoßrichtung. Wir nehmen richtig viel ökumenischen Rückenwind mit aus dem Reformationsjubiläum. Das Jubiläum war aber auch ein kulturelles und zivilgesellschaftliches Highlight für das ganze Land. Wenn ich auf die großen Jugendprojekte des Jubiläums schaue, habe ich eine Generation 2017 vor Augen. Das sind die jungen Menschen von heute, die morgen in unserer Kirche Verantwortung übernehmen werden. Auf diese Generation 2017 dürfen wir uns alle freuen."

 JOSEF SCHUSTER, PRÄSIDENT DES ZENTRALRATS DER JUDEN IN DEUTSCHLAND: "Aus jüdischer Sicht war die reflektierte Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf Martin Luther wichtig und erfreulich. Das Festjahr zum Reformationsjubiläum wurde keine Jubelarie, sondern auch zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Antijudaismus Luthers genutzt. So intensiv wie anlässlich des 500. Reformationsjubiläums sind seine antijudaistischen Schriften in der allgemeinen Öffentlichkeit vermutlich noch nie zur Kenntnis genommen worden. Zum Abschluss des Festjahres wünschen wir uns, dass die klare Absage zur Judenmission, die die EKD unmissverständlich ausgesprochen hat, in allen evangelischen Kirchen volle Geltung entfaltet."

 AYMAN MAZYEK, VORSITZENDER DES ZENTRALRATS DER MUSLIME IN DEUTSCHLAND: "Während des Jubiläums haben wir gute Beispiele von gelingendem Miteinander erlebt, und dabei sind Fragen nach Reformbedarf in den Religionen gestellt worden. Für uns Muslime empfinde ich das als wichtig und gut, denn das Nachdenken über Religion muss in uns lodern und stets neu entfacht werden. Auf diesem Weg werden natürlich immer auch Fehler gemacht, denn der Mensch ist fehlbar und vergisst. Nur Gott ist unfehlbar. Wenn wir also hinfallen oder Fehler machen, macht das aber (noch) nichts, tragisch ist nur, wenn wir nicht wieder aufstehen und uns in unserem Menschsein vergessen. Dann übernehmen ideologische Religionsmissbraucher das Ruder, und weil Ideologien was für Denkfaule ist, wirkt das verheerend für alle sich aus."

 OLAV FYKSE TVEIT, GENERALSEKRETÄR DES ÖKUMENISCHEN RATES DER KIRCHEN: "Wenn wir auf die Reformation zurückschauen, können wir nicht den dynamischen Wandel übersehen, den sie freigesetzt hat. Die Reformation spielte eine wichtige Rolle beim Entstehen der modernen Welt, mit einem weltweiten aber gespaltenen Christentum, mit globalem Wettbewerb um wirtschaftliche und politische Macht. Kolonialismus, Neo-Kolonialismus und heutzutage die Globalisierung führten zu wachsenden Ungleichheiten, ökonomischer Ungerechtigkeit und Bestrebungen, politische und militärische Hegemonien zu errichten. Die ökumenische Bewegung jedoch muss eine Bewegung des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sein. Die Hoffnung kann nur begründet sein in der Liebe Gottes, die wir durch unseren Glauben erfahren."