Bedford-Strohm fordert mehr Respekt gegenüber Ostdeutschen

Bedford-Strohm fordert mehr Respekt gegenüber Ostdeutschen
Vor allem in Ostdeutschland bekam die AfD viele Wählerstimmen. Politik und evangelische Kirche warnen vor einer Stigmatisierung des Ostens als Problemgebiet.

Rund eine Woche nach der Bundestagswahl hält die Debatte um das gute Abschneiden der AfD im Osten der Republik an. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kritisierte Schuldzuweisungen an ostdeutsche Wähler. Manche Kommentare von Menschen aus dem Westen hätten ihn wirklich erschreckt, sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten am Montag in der Talkrunde "Die richtigen Fragen" auf "bild.de".

Ostdeutschland dürfe nicht allein als Problemgebiet dargestellt werden. "Man muss mit Respekt miteinander umgehen", sagte der bayerische Landesbischof einen Tag vor den Einheitsfeiern am 3. Oktober. Der Westen müsse wahrnehmen, wie ganze Lebenspläne in Ostdeutschland "über den Haufen geworfen" worden seien. In der Auseinandersetzung mit den Rechtskonservativen und deren Anhängern forderte Bedford-Strohm zugleich "klare Kante" gegenüber Rassisten und Antisemiten. Nationalsozialistisches Gedankengut dürfe in Deutschland nicht wieder salonfähig werden.

Auch die amtierende Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) warnte davor, den Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl als Problem des Ostens zu bewerten. "Natürlich ist das Ergebnis der Bundestagswahl schmerzlich. Aber ich halte es für verfehlt, daraus eine Debatte zu machen, ob der Osten und der Westen richtig zusammengewachsen sind", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Für den Aufstieg der Rechtspopulisten gebe es keine eindimensionalen Erklärungen.

Debatte um AfD-Wähler im Osten

Als mögliche Gründe nannte Dreyer Abstiegsängste und das Gefühl vieler Menschen, nicht mehr Schritt halten zu können mit den schnellen Entwicklungen der Gesellschaft und den Auswirkungen der Globalisierung. Wieder andere hätten keine Aussichten auf feste Jobs und gute Renten.

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), wies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Staates in der Fläche hin. "Wo der Staat nicht mehr präsent ist, werden die zwangsläufig entstehenden Lücken von Kräften besetzt, die nichts Gutes im Schilde führen." Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit seien nach wie vor eine ernste Bedrohung des sozialen Friedens und der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland.

Der ehemalige Bürgermeister von Tröglitz (Sachsen-Anhalt), Markus Nierth (parteilos), rief zu mehr Zivilcourage und Einsatz für die Demokratie auf. Gebraucht würden jetzt "Kämpfer, aufrechte Demokraten, glaubwürdige Leute, denen ihre Freiheit noch etwas wert ist", sagte Nierth der in Berlin erscheinenden "tageszeitung" (Montag).

Markus Nierth war von 2009 bis 2015 ehrenamtlicher Ortsbürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt. Im Streit über die Unterbringung von Asylbewerbern wurde er massiv von Rechtsextremisten angefeindet. Aus Sorge um seine Familie legte er daraufhin sein Amt nieder, setzte sich gemeinsam mit seiner Frau aber weiter für die Flüchtlinge ein. Im April wurden Nierth und seine Frau Susanna für ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt mit dem Luther-Preis "Das unerschrockene Wort" 2017 geehrt.

Nierth sprach sich für eine Stärkung der politischen Bildung in den Schulen aus: "Dass man nicht in den Erlebnispark fährt, sondern auch in das Stasi-Gefängnis nach Berlin-Hohenschönhausen oder nach Bautzen." Es gebe gute Programme und Zentren für politische Bildung: "Nur die Lehrer nehmen dies kaum in Anspruch." "Hier müssten die Schulen von der Politik zur Umsetzung verpflichtet werden", forderte Nierth.

Die AfD hatte am 24. September bundesweit 12,6 Prozent der Zweitstimmen erhalten. In Sachsen wurde sie stärkste politische Kraft, mit 27 Prozent knapp vor der CDU. In Thüringen erhielt sie 22,7 Prozent, in Brandenburg 20,2 Prozent, in Sachsen-Anhalt 19,6 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern 18,6 Prozent.