270.000 Rohingya neu vor Gewalt in Myanmar geflohen

270.000 Rohingya neu vor Gewalt in Myanmar geflohen
Die Gewalt in Myanmar treibt Tausende Rohingya in die Flucht. Die Bundesregierung fordert Schutz für die Zivilbevölkerung und sagt ihre Unterstützung zu.

Angesichts der Gewalt in Myanmar fliehen immer mehr Rohingya ins Nachbarland Bangladesch. In den vergangenen zwei Wochen hätten schätzungsweise 270.000 verzweifelte Angehörige der muslimischen Minderheit das Nachbarland Bangladesch erreicht, teilte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Freitag in Genf mit. Damit habe sich die Zahl der Geflohenen aus Myanmar in Bangladesch seit Dienstag mehr als verdoppelt. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerte seine große Sorge über die erneuten Kämpfe im Bundesstaat Rakhine.

Außenminister Gabriel ruft zum Schutz der Zivilbevölkerung auf

"Ich appelliere an alle Seiten, zur Deeskalation beizutragen und die Zivilbevölkerung zu schützen", sagte Gabriel. Im Vordergrund müsse jetzt die Linderung des Leids der betroffenen Menschen stehen. Gabriel forderte die Regierung Myanmars auf, Hilfsorganisationen Zugang zu den betroffenen Gebieten zu ermöglichen. Deutschland beteiligt sich über den zentralen Nothilfefonds der UN an der humanitären Hilfe.

Die Rohingya werden in dem überwiegend buddhistischen Myanmar verfolgt und nicht als Minderheit anerkannt. Ende August war eine neue Gewaltwelle in dem von ihnen bewohnten westlichen Bundesstaat Rakhine entflammt. Überlebende berichten von Massakern und dem Niederbrennen ganzer Dörfer durch die Armee.

Die Versorgung der Geflohenen sei extrem schwierig, sagte UNHCR-Sprecherin Duniya Aslam Khan. Es fehle an Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten. Weil die Behörden den Rohingya die Staatsbürgerschaft verweigerten, seien sie in Bangladesch staatenlose Flüchtlinge. Dies erschwere die Lage zusätzlich.

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) fanden 130.000 Rohingya Schutz in dafür eingerichteten Lagern. Etwa 90.000 Männer, Frauen und Kinder lebten in anderen festen Unterkünften, etwa bei Gastfamilien. Rund 50.000 Rohingya seien jedoch nur in behelfsmäßigen Camps am Rande von Straßen und Wegen untergekommen. In den Rakhine-Staat dürften die Helfer nicht, sagte IOM-Sprecher Leonard Doyle.

Human Rights Watch forderte eine öffentliche Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. Zudem müsse den Behörden in Myanmar mit Sanktionen gedroht werden, wenn das brutale Vorgehen gegen die Rohingya nicht aufhöre. Das Vorgehen gegen die Minderheit zeige Merkmale eines Völkermordes.

Derweil gerät die De-facto-Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi immer mehr unter Druck. Kritiker werfen ihr Versagen im Umgang mit den Rohingya vor und rufen sie auf, das Problem anzuerkennen und einzugreifen. In einer Petition fordern knapp 400.000 Menschen die Aberkennung ihres Friedensnobelpreises.

Außenminister Gabriel appellierte an Suu Kyi und die Regierung, die Empfehlungen der Rakhine Advisory Commission umfassend umzusetzen. Unter der Leitung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan hatte die Kommission Empfehlungen veröffentlicht, um die Situation in Rakhine zu verbessern. Deutschland und die EU seien bereit, Myanmar hierbei zu unterstützen, sagte Gabriel.

Friedensnobelpreisträgerin Malala Yusafsai rief Suu Kyi auf, sich für die muslimische Minderheit einzusetzen. Auch die Weltgemeinschaft müsse eingreifen, um die Rohingya zu schützen. "Wir können jetzt nicht länger schweigen", sagte sie dem britischen Sender BBC.

Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu schrieb Suu Kyi in einem offenen Brief, er bete dafür, dass sie den Mut habe, für Gerechtigkeit einzustehen. Nachdem sie als Oppositionsführerin zur Verfolgung der Rohingya geschwiegen hatte, bezeichnete sie die Gewalt jüngst als "riesigen Eisberg von Fehlinformationen".

Im Rakhine-Staat gibt es seit 2012 immer wieder Pogrome gegen die Rohingya. Die jüngste Gewaltwelle war aufgeflammt, nachdem sich am 25. August eine Rohingya-Miliz zu Angriffen auf Polizei- und Armeeposten bekannt hatte.