TV-Tipp: "Was ich von dir weiß" (ZDF)

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TV-Tipp: "Was ich von dir weiß" (ZDF)
28.8., ZDF, 20.15 Uhr: "Was ich von dir weiß"
"Nichts." Das wäre die erschütternde Antwort auf den Titel dieses Dramas über eine Ehe, die nur scheinbar erst nach über vierzig Jahren scheitert; in Wirklichkeit ist das Paar schon seit zwanzig Jahren jeder für sich vereinsamt.

Grimme-Preisträgerin Isabel Kleefeld ("Arnies Welt", 2006) beginnt den Film mit einer Parallelmontage, die wie ein Krimiauftakt wirkt. Die ersten Bilder zeigen einen Mann auf einem Schießstand; mit jedem Schuss kommt die Kamera näher, sodass sein Gesicht schließlich in Großaufnahme zu sehen ist. Es folgt ein Schnitt auf eine in Tränen aufgelöste Frau auf einem Friedhof. Natürlich gelten die Schüsse nicht ihr; aber irgendwie doch. Die Friedhofseinstellung ist auch deshalb so eindrucksvoll, weil Hauptdarstellerin Thekla Carola Wied die Kamera selbst zu tragen scheint; die Szene endet mit ihrem Blick direkt ins Objektiv. Erst dann folgt nach dem Vorspann der Beginn der eigentlichen Handlung, die als Rückblende erzählt wird: Ruth besucht eine Philosophievorlesung. Kierkegaard-Spezialist Professor Seveking (August Zirner) will von seinen Studenten wissen, warum das Streben nach objektiver Wahrheit zum Scheitern verurteilt ist. Sie weiß die Antwort: weil die Wahrheit immer subjektiv ist; und davon handelt dieses ungemein facettenreiche, mit großer Sorgfalt erzählte Drama. Kleefeld (Buch und Regie) macht nie einen Hehl daraus, dass der Film im Grunde eine Tragödie ist, und schon allein das macht ihn im Rahmen des mittlerweile überwiegend für Krimis reservierten Montagsfilmsendeplatz des ZDF zu einem besonderen Werk.

Eine Frühstücksszene genügt, um die Entfremdung zwischen Ruth und ihrem Mann Martin (Uwe Kockisch), einem ehemaligen Polizisten, zu illustrieren: Das Paar hat sich nichts mehr zu sagen. Erst nach und nach offenbart die Regisseurin die Gründe für die zweisame Vereinsamung: Vor zwanzig Jahren ist die erwachsene Tochter bei einem Autounfall gestorben. Während Ruth regelmäßig das Grab besucht, war Martin seit der Beerdigung nie wieder auf dem Friedhof. Auch diese Information verdeutlicht die Kluft: Die Eltern haben ihre Trauer nicht miteinander geteilt. Martin trauert auf seine Weise, er hat die Garage des Hauses zu einem Refugium umgebaut, in das er sich regelmäßig zurückzieht; in einem Spind bewahrt er Sachen der Tochter auf, darunter auch ihr Tagebuch. Außerdem hütet er im Zusammenhang mit ihrem Tod ein düsteres Geheimnis, das er Ruth gegen Ende des Films offenbart. Auch wenn er damals nur das Beste für seine Frau im Sinn hatte:  Die furchtbare Wahrheit zerstört die Ehe endgültig. Aber da ist ohnehin alles zu spät, denn zwischenzeitlich hat Daniel (Daniel Wiemers), der Sohn des Ehepaars, seine Mutter darüber informiert, dass Martin ein Verhältnis hat; seit zwanzig Jahren. Und als wäre all’ das nicht genug, gibt es am Ende noch eine weitere niederschmetternde Nachricht.

Obwohl die Handlung in der Zusammenfassung wie eine Aneinanderreihung von Schicksalsschlägen wirkt, ist "Was ich von dir weiß" nicht deprimierend, zumal Kleefeld zwischendurch zwei Liebesgeschichten erzählt, selbst wenn es zunächst irritiert, dass Martins Geliebte Melanie (Jasmin Schwiers) halb so alt wirkt wie er; aber auch für dieses Verhältnis reicht Kleefeld eine schlüssige Erklärung nach. Ruth hat derweil mit dem Philosophen Seveking ein spätes Glück gefunden. Die beiden verbringen ein gemeinsames Wochenende in Paris, doch die beschwingte Stimmung findet ein abruptes Ende, als ein Mopedfahrer Ruth die Handtasche raubt und sie sich beim Sturz an der Schulter verletzt.

Obwohl der Film mit seinem zentralen Thema wahrlich Stoff genug hat, findet Kleefeld die Zeit, um den Nebensträngen Komplexität und Tiefe zu verleihen. Sie beantwortet zwar nicht alle Fragen, die das Drehbuch aufwirft, aber diese Leerstellen bringen die Geschichte nicht ins Straucheln. Ohnehin erweist sich Kleefelds elliptische Erzählweise immer wieder als ungemein wirkungsvoll, weil dank der sichtbar sorgfältig entworfenen Bildgestaltung Martin Langers, mit dem die Regisseurin zuletzt auch ihre Komödie "Zweibettzimmer" gedreht hat, meist wenige Bilder reichen, um ihre Wirkung zu erzielen; bestes Beispiel ist die erschütternde Rückblende, als Martin die Leiche seiner Tochter findet. Das Schlusswort des Films haben Seveking und Kierkegaard, doch den wichtigeren Satz sagt der Professor kurz zuvor, als Ruth ihm von ihren Selbstvorwürfen erzählt, weil sie nicht erkannt hat, wie es um ihre Tochter steht. Sie hatte immer gedacht, die Welt sei in Ordnung, doch der Philosoph belehrt sie: "Die Welt ist nie in Ordnung."