Reformierte wollen ungerechte Systeme entmachten

Reformierte wollen ungerechte Systeme entmachten
Mit einem Appell an den G20-Gipfel für mehr Gerechtigkeit hat die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen ihre Generalversammlung in Leipzig beendet. Zudem wählten die Delegierten die libanesische Pfarrerin Najla Kassab zur Präsidentin.

Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen will sich für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einsetzen und dazu beitragen, ungerechte Systeme zu entmachten. Unter der Führung Gottes wolle die Gemeinschaft versuchen, "die wirtschaftlichen, technologischen und politischen Strukturen zu verstehen, die Herrschaft verstärken", und dann mithelfen, "diese zu entmachten", heißt es in der Abschlusserklärung der Generalversammlung des weltweiten Dachverbands, die am Freitag in Leipzig beschlossen wurde.

Derzeit schafften "Geld- und Machtsucht ein System, in dem einige wenige im Komfort leben und die Ressourcen unseres Planeten aufbrauchen". Dabei ignorierten sie "die Zerstörung und die zermürbende Armut, die sie hinterlassen", heißt es in der Erklärung der rund 300 Delegierten des Dachverbands, der rund 80 Millionen reformierte Christen in aller Welt vertritt.

Von den in Hamburg versammelten Politikern beim G20-Gipfel fordern die Delegierten, "keineswegs von den Pariser Klimaabkommen abzuweichen". Nötig sei zudem mehr Gerechtigkeit im Wirtschaftssystem, sagte der Generalsekretär der Weltgemeinschaft, Chris Ferguson, und rief die Politiker zu mehr Mut und Entschlusskraft bei der Lösung der Probleme in der Welt auf.

Zuvor hatten die Delegierten die libanesische Pfarrerin Najla Kassab von der Evangelischen Kirche in Syrien und dem Libanon zur neuen Präsidentin der Weltgemeinschaft für die kommenden sieben Jahre gewählt. Kassab rief die Kirchenvertreter zu gesellschaftlichem Engagement auf: Es reiche nicht, nur auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen, "wir müssen auch an der Heilung beteiligt sein". Zu ihren Schwerpunkten zählten die Kommunikation zwischen den rund 230 Mitgliedskirchen, der Dialog mit jungen Menschen und der Einsatz dafür, dass Frauen in den Mitgliedskirchen dieselben Rechte wie Männer bekommen, sagte Kassab.

Auch Kassab selbst konnte erst vor vier Monaten Pfarrerin werden. Die Evangelische Kirche in Syrien und dem Libanon hatte im Januar 2017 die Ordination von Frauen eingeführt. Sie leitet die Bildungsabteilung ihrer Kirche, ist verheiratet mit Joseph Kassab, dem Generalsekretär der Synode der Evangelischen Kirche in Syrien und dem Libanon, lebt in Beirut und hat drei Kinder. Kassab löst den südafrikanischen Pfarrer Jerry Pillay ab, der seit 2010 Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen war.

In ihrer Abschlusserklärung beklagen die reformierten Christen zudem geschlechtspezifische und rassistische Gewalt, die Opfer von Terror, die Lage der Flüchtlinge, den Druck auf religiöse Minderheiten und die Verfolgung von Christen in manchen Ländern. Sie verpflichten sich zudem, Verlassene und Missbrauchte zu schützen sowie die Gewissens- und Religionsfreiheit "zu verteidigen angesichts des Fanatismus, Fundamentalismus, der Gewalt und Säkularisierung". Zudem will die Weltgemeinschaft den interreligiösen Dialog weiter fördern.

Damit beendete die Versammlung des Dachverbands der Reformierten am Freitag ihr zehntägiges Treffen in Leipzig und Wittenberg. Höhepunkt war am Mittwoch die Unterzeichnung von zwei Ökumene-Erklärungen in Wittenberg. Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen schloss sich der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" an, auf die sich zuvor die römisch-katholische Kirche, der Lutherische Weltbund und der Weltrat Methodistischer Kirchen geeinigt hatten. Das 1999 aufgesetzte Papier hat das Ziel, Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken aus der Reformationszeit im 16. Jahrhundert zu überwinden. Damit haben sich die beiden weltweit größten protestantischen Konfessionsfamilien in dieser zentralen Frage mit der katholischen Kirche geeinigt.

Zusammen mit dem Lutherischen Weltbund, der rund 74 Millionen Christen repräsentiert, unterzeichnete der reformierte Weltbund zudem in der Stadtkirche ein "Wittenberger Zeugnis", in dem sie sich unter anderem zu einem größeren Einsatz für eine gerechte und friedliche Welt verpflichten.

Der am Freitag beendete Kongress gilt als das größte religiöse Treffen im Jahr des 500. Reformationsjubiläums. Neben den 300 Delegierten aus 126 der insgesamt 233 Mitgliedskirchen hatten mehrere Hundert weitere Gäste hatten teilgenommen. Insgesamt vertritt die Weltgemeinschaft als Dachverband aktuell rund 80 Millionen Christen.