Italien legt Verhaltenskodex für Flüchtlingsretter vor

Italien legt Verhaltenskodex für Flüchtlingsretter vor
Italien hat einen Verhaltenskodex für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vorgelegt, die im südlichen Mittelmeer Flüchtlinge retten. Die Beachtung der neuen Regeln sei künftig Voraussetzung für die Erlaubnis zum Einlaufen der Rettungsschiffe in italienische Häfen, berichtet die Tageszeitung "Die Welt".

Der 11-Punkte-Katalog, der der Zeitung vorliegt, soll den EU-Innenministern an diesem Donnerstag bei ihrem Treffen im estnischen Tallinn vorgelegt werden. Italien hatte damit gedroht, seine Häfen für Rettungsschiffe von NGOs ganz zu schließen. Nach dem Verhaltenskodex dürften Rettungsinitiativen künftig nur in absoluten Notfällen in libysche Gewässer fahren. Kontakte über Telefonate oder Lichtsignale mit den Schleusern, die das Einschifften von Flüchtlingsbooten an der libyschen Küste motivierten, seien demnach verboten.

An Bord der NGO-Schiffe müssten dem Verhaltenskodex zufolge künftig Fahnder der italienischen Polizei mitfahren, soweit offizielle Ermittlungen zu Schleusern dies notwendig machen. Die Ortung von Flüchtlingsbooten müsse überdies der italienischen Küstenwache noch vor Beginn des Einsatzes mitgeteilt werden. Ferner werden die NGOs aufgefordert, ihre Finanzierung offenzulegen.

Italienische Nichtregierungsorganisationen reagierten mit Empörung auf die neuen Regeln, die Italien nach einem Treffen der Innenminister von Deutschland, Frankreich und Italien in Paris ausarbeitete. NGOs würden nach dem Anschwellen des Flüchtlingszustroms als "Sündenbock" verurteilt, beklagte die Vereinigung italienischer Organisationen für internationale Hilfe.

Deutschland, Frankreich und Italien vertrauten mit ihrer Vereinbarung zur Ausarbeitung des Verhaltenskodex der libyschen Regierung den Umgang mit den Flüchtlingsströmen an. Diese achte jedoch nicht die Menschenrechte, betonte die Vereinigung.

Die in Malta ansässige Hilfsorganisation MOAS betonte die bisherige Zusammenarbeit mit der italienischen Küstenwache, die die Seenotrettungseinsätze koordiniert, und die Einhaltung der Bestimmungen des Seerechts. Dieses verpflichte dazu, in Seenot geratenen Schiffen und Booten zu Hilfe zu eilen, unabhängig davon, ob diese sich in internationalen Gewässern oder im Hoheitsgebiet einzelner Länder befänden. "Die Achtung der Rechte der Menschen, die sich in Libyen befinden, muss zu den Hauptanliegen der internationalen Gemeinschaft gehören, die sich nicht allein auf eine Beschränkung des Zuflusses konzentrieren darf", betonte die Hilfsorganisation.

Bislang gelangten in diesem Jahr rund 100.000 Bootsflüchtlinge nach Europa, darunter 85.000 über italienische Häfen. Derzeit werden die meisten Flüchtlinge von Nichtregierungsorganisationen gerettet, nach Schätzung von "Ärzte ohne Grenzen" nur etwa zwölf Prozent von Schiffen der EU-Grenzschutzmission Frontex.