TV-Tipp: "Tatort: Level X" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Level X" (ARD)
11.6., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Level X"
Es ist ein frommer Wunsch, den Peter Michael Schnabel da formuliert, und selbst unter jenen, die sich regelmäßig im weltweiten Netz tummeln, würde er womöglich viele Mitstreiter finden: Kann man dieses Internet nicht einfach wieder abschalten?

Kann man natürlich nicht, und ohne Internet hätte Richard Kropf, Ideengeber und Autor der Amazon-Serie "You Are Wanted", diese Geschichte nicht erzählen können: In Dresden sorgt ein junger Mann mit dem Künstlernamen Simson (Merlin Rose) regelmäßig für große Gaudi im Internet, indem er seinen Mitmenschen Streiche (neudeutsch "Prank") spielt und das Geschehen zeitgleich in seinem persönlichen Kanal verbreitet. Dabei hat er es offenbar zu weit getrieben: Als er seinen Schabernack mit einer Rockerbande treibt, wird er auf offener Straße erschossen.

Optisch und inhaltlich ist "Level X" durchaus reizvoll und zeitgemäß, bloß die Dramaturgie ist arg konventionell: Der Reihe nach nehmen die beiden Ermittlerinnen Gorniak und Sieland (Alwara Höfels, Karin Hanczewski) praktisch jeden ins Visier, der ihren Weg kreuzt. Das offensichtlichste Motiv haben die Rocker, doch die kommen kaum in Frage, denn sie waren ja hinter Simson her, und der junge Mann ist von vorn erschossen worden. Aber dann geben sich die Verdächtigen quasi die Klinke in die Hand: Simson wollte aussteigen, er sah seine Zukunft im investigativen Journalismus, was seinen Manager Cord (Daniel Wagner) um viel Geld gebracht hätte, denn der Prank-Star hatte eine Millionen Fans (neudeutsch "Follower"). Außerdem hat Cord Simsons Einnahmen, immerhin eine halbe Million, in eine windige und prompt geplatzte Geldanlage investiert. Auf dem Laptop des jungen Mannes findet sich ein Video, das offenbar seine erste journalistische Arbeit zeigt: Klinikarzt Frantzen (Ulrich Friedrich Brandhoff) handelt mit Rezepten für verschreibungspflichtige Medikamente. Gleichfalls ein überzeugendes Motiv hätte Simsons Konkurrent Scoopy (Wilson Gonzalez Ochsenknecht): Die beiden waren mal beste Freunde; Scoopy hatte die Idee für die live verbreiteten Streiche und ist sauer, weil Simson damit reich und berühmt geworden ist und er nicht. Schließlich stellt sich auch noch raus, dass der allseits bewunderte Simson die junge Emilia (Caroline Hartig) vergewaltigt und die Tat zudem gefilmt hat. Den Mord allerdings hat trotzdem jemand ganz anderes begangen.

Die mangelnde Originalität des Handlungsschemas ist jedoch das kleinere Übel des Films. Ein deutlich größeres Manko sind einige der darstellerischen Leistungen, die bestenfalls unfreiwillig komisch sind. Gerade Daniel Wagner muss den Manager als Karikatur anlegen. Das großspurige Gehabe des Mannes, dessen Dialoge von Anglizismen durchzogen sind, ist natürlich Teil der Rolle, aber es wirkt so lächerlich, dass man ihn nicht ernst nehmen kann. Das gilt vor allem für einen öffentlichen Auftritt, als Cord im Stil eines Demagogen zu Simsons Fan-Gemeinde spricht. Bei Wilson Gonzalez Ochsenknecht verhält es sich ähnlich. Sein "Scoopy" ist im Grunde ein armes Würstchen, auch wenn er die Ermittlerinnen mit einem fingierten Selbstmord erfolgreich aufs Glatteis führt. Davon abgesehen gibt es einige Belege dafür, dass auch Regisseur Gregor Schnitzler seinen Anteil an den Übertreibungen hat: Die moralischen Appelle von Gorniak und Sieland klingen recht deklamatorisch, und eine Szene mit Caroline Hartwig wirkt überinszeniert: Als sich Emilia im Gespräch mit den Ermittlerinnen betont cool gibt, macht die Regie allzu deutlich, dass das Mädchen etwas zu verbergen hat. Davon abgesehen ist die junge Schauspielerin ein faszinierendes frisches Gesicht; größere Rollen sind garantiert nur eine Frage der Zeit.

Der alberne YouTube-Jargon wiederum sorgt für einige komische Momente, weil die Kommissarinnen ihn persiflierend übernehmen. Ohnehin sind die heiteren Einlagen, die zum Muster der Krimis aus Dresden gehören, sehr witzig. Gerade Martin Brambach bekommt als Peter Michael Schnabel, komisch verzweifelter Chef des Duos, immer wieder Gelegenheit, kleine Auftritte; wie Brambach aus den schlechten Scherzen Schnabels Preziosen macht, ist unnachahmlich. Gelungen ist auch die optische Integration der Videoportale und der sozialen Netzwerke. Auch Emilia hat einen eigenen Kanal, sodass der Film immer wieder als Bild im Bild in die YouTube-Perspektive wechselt. Die eifrigen Reaktionen der Nutzer werden regelmäßig eingeblendet und über die Aufnahmen vom Stadtbild verstreut, um zu verdeutlichen, wie rege die Stadtjugend Anteil an den Ereignissen nimmt. Ganz ausgezeichnet und eine perfekte Ergänzung zum Thema ist die elektronische Musik von Chris Bremus, die spätestens zum dramatischen Finale, als sich Gorniak einen live im Netz übertragenen Wettlauf mit dem Tod liefert, Kinoformat bekommt.