TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Nachtdienst" (7.5., ARD, 20.15 Uhr)

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Vor einigen Jahren hat der Bayerische Rundfunk im Rahmen seines "Polizeirufs" mit Matthias Brandt schon mal eine ähnliche Geschichte erzählt. In der Episode "Fieber" (2012) wurde Hanns von Meuffels bei einer Geiselnahme lebensgefährlich verletzt und musste in ein Krankenhaus, das sich als Klinik des Grauens entpuppte. Diesmal verschlägt es ihn in ein Münchener Altenheim, wenn auch natürlich nicht als Bewohner.

Der Film startet wie derzeit mindestens jeder zweite Krimi mit einem dramatischen Höhepunkt und blendet dann neun Stunden zurück. Immerhin bricht Rainer Kaufmann die Konvention in seiner ersten Regiearbeit für den "Polizeiruf" des BR, indem er die Bilder buchstäblich rückwärts laufen lässt. Die eigentliche Handlung beginnt mit dem spätabendlichen Besuch einer offenbar leicht verwirrten Frau (Elisabeth Schwarz) im Polizeipräsidium. Die alte Dame berichtet, in ihrem Seniorenheim sei ein Mann erschlagen worden. Der Hauptkommissar fährt zu der Einrichtung und entdeckt dort tatsächlich Blutspuren. Von einem Mord will allerdings niemand etwas wissen: Ein alter Mann sei gestürzt, das komme öfter vor, und manchmal habe so ein Sturz auch tödliche Folgen. Von Meuffels lässt jedoch nicht locker. Er findet raus, dass das Opfer höchst unbeliebt war; offenbar hat der Mann die Mitbewohnerinnen und das weibliche Personal sexuell belästigt. Tatsächlich gelingt es dem Kommissar schließlich, den Fall zu klären, doch der Preis dafür ist absurd hoch.

Natürlich spielen der Pflegenotstand und die Missstände in Altenheimen eine große Rolle in dieser Geschichte; das Drehbuch ist von Ariela Bogenberger, die für Kaufmann unter anderem die vielfach ausgezeichnete Tragikomödie "Marias letzte Reise" geschrieben hat, sowie von Astrid Ströher (nach einer Idee von Tom Kress). Trotzdem ist die Krimihandlung weit mehr als bloß eine reizvolle Verpackung für ein Anliegen, selbst wenn der erschütternde Schluss ein überaus plakatives Signal ist. Bis dahin jedoch besteht der Reiz des Films vor allem aus der Frage, ob Hanns von Meuffels nicht eine Chimäre jagt, denn außer seinem Gespür deutet nichts darauf hin, dass sich eine Gewalttat ereignet hat. Wie ein Geist wandelt der Kommissar durch die nächtlichen Räumlichkeiten, in denen die Bewohner mehr oder weniger vor sich in vegetieren, weil sie vom völlig überforderten Personal mit Medikamenten ruhig gestellt und mit Gurten ans Bett fixiert werden. Die Mehrheit der Menschen ist verwirrt; einzig ein ehemaliger Polizist (Ernst Jacobi) ist noch bei klarem Verstand. Die Freudlosigkeit der Handlung steht bei einem derartigen Sujet ohnehin außer Frage.

Zumindest eine Andeutung von Heiterkeit gibt es bei den Gesprächen mit der alten Dame, in denen der Ermittler, ganz Gentleman alter Schule, selbstredend den richtigen Ton findet; auch wenn sie ihn zunächst für schwer für Begriff hält, weil er ihrer wirrer Rede nicht folgen kann. Lustiger aber wird es nicht. Kaufmann wiederum gelingt die Gratwanderung, sich einerseits viel Zeit für die Zustände im Heim zu nehmen, weil sich auch seine Hauptfigur Zeit nimmt (etwa für einen Sterbenden), und dennoch die Krimierwartungen zu bedienen. Trotzdem gibt es keinen Zweifel an der Botschaft des Films. Es ist ausgerechnet ein Pfleger, der sie formuliert, als er einem der Bewohner klar macht, aus Sicht der Gesellschaft seien die Alten überflüssig und unsichtbar. In der skurrilsten Szene begegnet sich von Meuffels im Traum selbst: ein verbitterter alter Mann, der ihn als Arschloch tituliert.