Geflüchteten Menschen eine Stimme geben

Journalisten
Foto: Fotolia/wellphoto/Mihajlo Maricic
Geflüchteten Menschen eine Stimme geben
Für geflüchtete Menschen gibt es viele Medienangebote in Deutschland: die Tagesschau in 100 Sekunden auf Arabisch oder die Sendung mit der Maus mit Untertitelung. Geflüchtete nehmen aber auch selbst Kamera und Mikro in die Hand und produzieren eigene Beiträge. Vier Beispiele.

R.future-TV

Für die deutsche Moderatorin und Journalistin Nina Coenen hat das Integrations-Projekt schon vor über zehn Jahren angefangen. Da habe sie den Syrer Sami Alkomi kennengelernt. Mittlerweile sind sie verheiratet. Die beiden sind nicht nur in der Medienbranche, sondern auch in der Flüchtlingsarbeit aktiv, besuchen etwa Notunterkünfte. "Und immer lief es auf die Frage hinaus: Wisst Ihr eigentlich, was Deutschland bedeutet? Und die meisten haben 'nein' gesagt", erinnert sich Sami Alkomi.

Bald lernten sie einen Kameramann und einen Cutter unter den Flüchtlingen kennen. Der Gedanke lag nahe, gemeinsam Filme auf Deutsch und Arabisch zu drehen: R.future, Refugee future, Zukunft für Flüchtlinge. Herausgekommen ist zuerst ein amüsant-aufklärerischer 7-Minuten-Kurzfilm, eine Integrations-Rallye zu Fuß mitten in Berlin: Zwei syrisch-irakische Teams müssen Aufgaben lösen. Was gilt nach dem Grundgesetz? Männer und Frauen sind gleichberechtigt oder entscheidet über die Rechte der Frau ihr Vormund? Am Schillerdenkmal wird klar, dass Gedanken- und Meinungsfreiheit ein hohes Gut darstellen. Das Projekt hat schon zu ersten Veränderungen geführt. Im Film läuft Shonam aus dem Irak mit Kopftuch durch Berlin. Später legt sie es ab. Es gilt, neue Freiheiten auszuprobieren. Nun dreht das Team weitere Folgen. Zu sehen sind sie auf http://www.h-2-d.de oder auf www.facebook.com/R.future.TV.

YouTube:

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Amal, Berlin!

Ganz anders das Workshop-Projekt an der Evangelischen Journalistenschule Berlin: Amal, Berlin! – Hoffnung, Berlin! Zehn geflüchtete Journalistinnen aus Syrien, Afghanistan, Iran und Ägypten haben sich monatelang in die deutsche Kultur- und Medienlandschaft eingearbeitet. Nun wollen sie das Erlernte mittels einer Online-Nachrichtenplattform auf Arabisch, Persisch und Deutsch präsentieren.

"Wir bieten gerade in der persischen Sektion sehr viel Service. Das ist, was andere Redaktionen auf Arabisch schon stark anbieten, zum Beispiel: wie finde ich eine Wohnung? Auf Persisch gibt es das so noch nicht. Deswegen haben wir darauf einen großen Schwerpunkt gelegt", sagt Julia Gerlach, Projektleiterin von "Amal, Berlin!".

Es geht darum, neu angekommenen Menschen in Deutschland eine erste Orientierung zu geben. Da sie deutsche Medien in der Regel noch nicht verstehen können, soll ihnen die mehrsprachige Online-Seite eine erste Brücke bauen. Der Kurde Mohammed Amiri aus Nord-Syrien war schon in seiner Heimat als Online-Journalist tätig. Nun ist er bei "Amal, Berlin!" wieder für das Aktuelle zuständig. "Jeden Morgen um acht Uhr schaue ich, was es in deutschen Medien gibt und was in Berlin passiert. Daraus mache ich auf Arabisch vier oder fünf Top-Nachrichten", erklärt er in einem schon recht flüssigem Deutsch.

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Von einer Anschub-Finanzierung des Projektes durch die Evangelische Kirche in Deutschland von etwas über 80.000 Euro kann jedoch niemand leben. Aber schon jetzt wurden in der offline-Probephase einzelne Artikel übersetzt und gegen Honorar an die deutsche Presse verkauft. "Amal, Berlin!" will Hoffnung machen, dass auch für geflüchtete Journalisten ein Sprung in deutsche Medien möglich ist. Mohammed Amiri zumindest kann sich gut vorstellen, bald für deutsche Tageszeitungen zu schreiben. Wenn sein Deutsch gut genug ist.

Zukar

Nicht mehr ganz am Anfang steht der syrische Schauspieler und Comedian Firas Alshater. Er hat vor knapp eineinhalb Jahren auf Youtube seinen Zukar-Kanal gestartet. Zukar deshalb, weil es ein Wort ist, dass in vielen Sprachen funktioniert. Mit seinen filmischen Zukar-Stückchen will er für ein besseres Miteinander zwischen Deutschen und Flüchtlingen werben.

"Nur weil Deutsche Flüchtlingsheime attackieren, kann man nicht sagen, alle Deutsche sind so. Und nur wenn ein Flüchtling was Dummes macht, sind Ausländer nicht alle gleich", erklärt Alshater. Inzwischen hat Zukar über 1,5 Millionen Aufrufe, was ihn weiter Zuckerstückchen verteilen lässt: Sind alle Flüchtlinge Drogenhändler? Was ist die deutsche Leitkultur? Und wie ist das mit arabischen und deutschen Frauen und Drachen? Aufklärung mit möglichst viel Humor. Und der muss im fünfköpfigen Drehteam erst mal durchdiskutiert werden: "Einmal hat mich jemand gefragt, wieso Araber kein Schach spielen? Weil die Dame überall hingehen kann! Später war mir klar, die Schach-Dame heißt bei uns Minister. Da konnte der Witz natürlich nicht funktionieren." Trotz hoher Klickzahlen, leben kann Firas Alshater von seinem Youtube-Kanal nicht. Jetzt studiert er Film in Potsdam-Babelsberg und schreibt Bücher. Ohne zusätzliches crowdfunding könnte er sein Zukar-Projekt wohl nicht fortsetzen.

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Refugee Radio Network RRN

Auch der nigerianische Flüchtling Larry M. Macaulay musste vor drei Jahren an viele Türen klopfen, bis er genug Geld für erste Mikrophone und Kopfhörer zusammen hatte. Dann aber im Oktober 2014 konnte er in Hamburg sein Refugee Radio Network starten. "Wir wollen Flüchtlingen Raum geben, sie ermächtigen, etwas über sich mitzuteilen", sagt Macaulay. Vor allem geht es um Tipps, wie sie mit ihrer Situation besser zu Recht kommen können.

Via Internet möchte das Refugee Radio Network noch das entlegenste Flüchtlingslager weltweit erreichen. Heute arbeiten über 20 Moderatoren aus ganz Europa mit. Gesendet wird auf den Frequenzen freier Bürgerradios. Längst ist RRN auch kein rein afrikanisches Programm mehr. So gibt es jetzt auch ein afghanisches Magazin. Neben viel Unterstützung, etwa durch die Hamburger Kulturfabrik Kampnagel, bekommt das Flüchtlings-Radio auch Hass-Emails. Doch davon will man sich nicht abhalten lassen. Für November 2017 lädt Larry M. Macaulay zu einer Konferenz nach Hamburg. Er erwartet, dass über 250 Flüchtlinge aus der ganzen Welt kommen werden, um über ihre Erfahrungen als Medienschaffende zu berichten und über eine noch engere Vernetzung nachzudenken.