Der Fastenbrezenbeck von Kaufbeuren

Eine Brezelnachbildung hängt an einem Gestänge.
Foto: Karl-Heinz Wiedner/Storymacher
Der Fastenbrezenbeck von Kaufbeuren
Bis Ostern gibt es sie wieder in den Auslagen mancher Bäckereien: die Fastenbrezen. Im Mittelalter waren solche Gebildebrote christliches Sinnbild für Frömmigkeit und Demut. Doch mittlerweile sind sie vom Aussterben bedroht, denn nur noch wenige Bäcker stellen das traditionsreiche Backwerk aus Hefeteig her.

Ein außergewöhnlich angenehmer Duft nach knusperfrischen Brezeln zieht Jahr für Jahr während der Fastenzeit durch die engen Gassen des Salzmarktes in Kaufbeuren. Zwischen den Mauern und Türmen der Stadtbefestigung der alten Reichsstadt reißt in den frühen Morgenstunden der Strom der Kunden bei Konditor und Bäcker Ulrich Wiedemann nicht ab. Er ist einer der wenigen Meister im Allgäu, welche die traditionellen Fastenbrezen noch backen. "Ich arbeite in dieser historischen Zunft bereits in vierter Generation", verrät Wiedemann, "und Fastenbrezen wurden schon vom Vater hergestellt, sie finden reißenden Absatz, und frisch aus dem Ofen schmecken sie immer am besten." Damit setzt Ulrich Wiedemann die mittelalterliche Tradition fort, als neben Kaufleuten auch das Handwerk, darunter natürlich die Bäcker, der Allgäustadt zum Wohlstand verhalfen.

"Löwenbeck" nennt Wiedemann seinen Betrieb in Anlehnung an das historische Zunftsymbol der Bäcker. Mit dem Nachschub an Fastenbrezeln – in Kaufbeuren Brezen genannt - kommt Wiedemann von Aschermittwoch bis Karfreitag kaum nach. Deshalb muss er sich wie seine Gesellen schon früh in der Backstube tummeln. Diese befindet sich neben seinem zweiten Geschäft im Ortsteil Oberbeuren. "Da an jedem der 40 Fastentage zusätzlich zum üblichen Angebot Hunderte von Fastenbrezen gefertigt sein wollen, herrscht in dieser Zeit Hochbetrieb", erklärt Wiedemann.

Überliefert und geheim

Das Geheimrezept für die Brezen liegt im Tresor. Nur so viel kann man in Erfahrung bringen: Ein sehr schwerer Hefeteig mit viel Fett – "heute nimmt man Margarine dazu, früher wurde trotz der Fastenvorschriften häufig Schweineschmalz verwendet" – bildet die Grundlage. Zunächst entsteht ein Vorteig aus Mehl, Milch und Hefe. Nachdem dieser gegangen ist, werden noch Flüssigkeit, Fett, Salz sowie Backpulver nach alter Rezeptur hinzugefügt. Eine Knetmaschine mengt alles kräftig durch, wozu einst die starken Arme des Brezenbäckers notwendig waren.

Bäcker Wiedemann ist zufrieden mit seinem Werk.

Der fertige Teig wird zu Ballen von je 2,4 Kilogramm ausgewogen. Die Wickelmaschine verleiht dem Teig die Form von Strängen, die dann von Hand gerollt und mit unglaublicher Geschwindigkeit vom Bäcker und seinen Gesellen in der Luft geschlenkert und mit Schwung zur Brezen geschlungen und geknotet werden. "Das ist noch Arbeit mit Herz und Hand", meint Wiedemann nicht ohne Stolz. Ist ein Blech mit Fastenbrezen belegt, wandert es für 20 Minuten in den Gärschrank. Der Meister und seine flinken Gehilfen haben unterdessen aus Eigelb, Eiweiß, Wasser und Salz eine Mischung hergestellt, mit der sie die Brezen "abstreichen". Noch einmal verschwindet das Blech für einige Minuten im Gärschrank, bis die Fastenbrezen bei 200 Grad in den Backofen kommen, den sie nach 12 Minuten goldbraun und verführerisch duftend verlassen.

Dreimal das Sonnenlicht erblicken

Wie eng die Bäckerzunft und die Geschichte der Brezel miteinander verknüpft sind, beweist das uralte, heute noch gebräuchliche Wappen der Innung: Eine Brezel, häufig gehalten von zwei mit Schwertern bewehrten Löwen, versinnbildlicht diesen Beruf. Was heute an Backwaren aus dem Ladengeschäft bezogen wird, gelangte früher aus der Backstube heraus direkt über den Fensterladen des Bäckers zum Kunden.

"Erfinder" der Brezel soll übrigens ein zum Tode verurteilter Bäcker gewesen sein. Legenden unterschiedlicher Art berichten davon. Der Bäckermeister konnte sich nur vor dem Galgen retten, wenn es ihm gelänge, "ein Gebäck herzustellen, durch das dreimal die Sonne zu scheinen vermochte und das keinen Anfang und kein Ende" aufweise. Anfangs war guter Rat teuer, bis der Bäcker die Teiglinge so lange drehte und wendete, bis deren verschlungene Enden tatsächlich drei Hohlräume bildeten und derart miteinander verknotet waren, dass es weder einen Anfang noch ein Ende gab.