TV-Tipp: "Wolfsland: Tief im Wald" (ARD)

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TV-Tipp: "Wolfsland: Tief im Wald" (ARD)
15.12., ARD, 20.15 Uhr: "Wolfsland: Tief im Wald"
Beim ersten Film der ARD-Reihe "Wolfsland", "Ewig Dein", haben sich Sönke Lars Neuwöhner und Sven Poser derart drauf beschränkt, die ganze Gegensätzlichkeit des neuen Ermittlerduos auszukosten, dass die kriminalistische Ebene fast auf der Strecke blieb; unter Krimiaspekten war der Film eher enttäuschend. Diesen Fehler hat das Autorenduo beim zweiten Fall für "Butsch" Schulz und Viola Delbrück (Götz Schubert, Yvonne Catterfeld) vermieden: "Tief im Wald" erzählt einen ungleich fesselnderen Fall.

Natürlich kostet das Drehbuch auch diesmal die Unterschiedlichkeit der beiden Hauptfiguren aus, aber weil der Film insgesamt mehr zu bieten hat, wirken die Kontraste nicht mehr so erzwungen. Das Rätsel der Rückblenden, die sich schon durch "Ewig Dein" zogen, wird zwar nicht gänzlich gelöst, aber die Bruchstücke ergeben nun ein kompletteres Bild: Delbrück ist vor ihrem Ehemann Björn (Johannes Zirner) nach Görlitz an die polnische Grenze geflohen. Seine krankhafte Eifersucht hatte mehrfach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt, die schließlich in einen Kampf mit beinahe tödlichem Ausgang mündeten. Björn ist ihr nachgereist und wird auch noch von Violas Chef Ebertin (Andreas Schmidt) mit offenen Armen empfangen: Delbrück ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der forensischen Psychologie, hat diverse Fachbücher geschrieben und kommt gerade recht, um Butsch und Viola zu unterstützen, denn in dem beschaulichen Städtchen treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Der Mann hat es auf junge, sportliche Frauen abgesehen, die er mit einem elastischen Band aufhängt, damit ihr Todeskampf länger dauert.

Mehrfachtäter sind für Krimis immer ein dankbares Sujet, weil sich die Spannung quasi von selbst einstellt: Die Polizei mobilisiert alle Kräfte, um weitere Todesfälle zu verhindern; derweil wechselt der Film irgendwann die Perspektive und zeigt, wie sich der Täter an sein nächstes Opfer heranpirscht. Da sich Neuwöhner und Poser nicht mehr damit aufhalten brauchen, ihre Figuren einzuführen, können sie das bewährte Muster um zwei weitere Ebenen ergänzen: Viola muss sich immer noch irgendwie mit Butsch zusammenraufen und sich gleichzeitig der Avancen des Gatten erwehren; Björn taucht immer wieder wie aus dem Nichts auf, weil er von Ebertin offiziell um Hilfe gebeten worden ist und damit quasi einen Stalker-Freibrief für Viola bekommen hat.

Anders als André Erkau, dem Regisseur des ersten Films, kann sich auch Tim Trageser viel stärker auf die Mördersuche konzentrieren; außerdem profitiert er davon, dass der zweite Fall ungleich interessanter ist. Trotzdem wirkt "Tief im Wald" insgesamt schlüssiger und flüssiger. Auch die Bildgestaltung ist eine andere. Kameramann Eckhard Jansen hat zwar für ein ähnliches Licht gesorgt wie sein Vorgänger Gunnar Fuß, aber er verzichtet dankenswerterweise auf die völlig unnötigen Ruckelzooms; die wirkten in "Ewig Dein" wie der verunglückte Versuch, die optische Erzählweise aufzumotzen. Ein anderes Element haben Neuwöhner und Poser geschickt variiert: Litt in Teil eins noch Viola unter einem ständig wiederkehrenden Alptraum, so ist es nun Butsch, der regelmäßig von einer Wolfsjagd träumt. Zunächst endet die Hatz damit, dass Viola ihn erschießt, aber am Ende nimmt sich das Ehepaar Delbrück gegenseitig aufs Korn, und spätestens jetzt erkennt der Eigenbrötler, dass er seiner Kollegin beistehen muss. Götz Schubert hat sichtlich Spaß an der Rolle, weil Butsch jeden vor den Kopf stoßen darf und allein bei seiner pubertierenden Tochter schwach wird. Für Yvonne Catterfeld ist die Polizistin mit Killerinstinkt eine immerhin ebenso ungewöhnliche Figur wie der Psychologe mit pathologischen Zügen für Zirner. Gut ausgedacht und umgesetzt sind auch die wenigen heiteren Momente mit Schubert und Catterfeld, wenn Butsch zum Beispiel im Revier anruft, weil Viola "ihren Hamburger Arsch herbewegen" soll, und sie bereits in seinem Auto sitzt.

Auch wenn "Tief im Wald" insgesamt handlungsreicher ist als Teil eins, so weist das Drehbuch doch erneut einige Schwächen auf. Bei aller künstlerischen Freiheit dürfen Autoren nicht ignorieren, dass sich jeder Zuschauer nach theoretisch Tausenden von TV-Krimis für einen Kriminalisten hält und natürlich weiß, dass Polizisten einen Tatort nie ohne Schutzanzug betreten; Butsch dagegen, der sich ohnehin an keine Regeln hält, darf jeden Verbrechensschauplatz ungestraft verunreinigen. Unstimmig ist auch das allerdings packend inszenierte Finale, als Viola den Mörder stellt, ohne auf Verstärkung zu warten. Das ist schon deshalb blödsinnig, weil der Mann keine Ahnung hat, wie nah ihm die Ermittler bereits auf den Fersen sind. Butsch wiederum wurde kurz zuvor noch krankenhausreif geprügelt, ist nun aber wieder fit genug, um die Kollegin in letzter Sekunde zu retten.

Wieder einmal: Mordlust wegen Kindheitstrauma

Allzu bemüht originell wirkt nach wie vor auch die Figur des drolligen Kriminaltechnikers (Jan Dose), der sich in Anlehnung an den Klassiker "Zwei Banditen" mit Paul Newman und Robert Redford als Butch Cassidy und Sundance Kid den Spitznamen "Cassie" für Viola ausgedacht hat. Dass die Mordlust des Täters auf einem Kindheitstrauma beruht, ist ohnehin der älteste Hut im Serienkillergenre. Viel zu selten lässt sich das Duo auf ein Spiel mit dem Publikum ein. So genügt beispielsweise ein Blick auf eine sarkophaggroße Gefriertruhe im Haus eines dringend tatverdächtigen Sonderlings, um erahnen zu lassen, dass sie eine Leiche enthält. Hier gelingt Neuwöhner und Poser, was auch im zweiten Teil viel zu selten passiert: die Erwartungen gleichzeitig zu erfüllen und dennoch für eine Überraschung zu sorgen.