Bibel inklusiv: Die neue Lutherbibel für alle

Hand auf einer Buchseite mit Punktschrift.
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Bibel inklusiv: Die neue Lutherbibel für alle
Auf der Frankfurter Buchmesse wurde am 19. Oktober 2016 der Verkaufsstart der neuen revidierten Lutherbibel gefeiert. Doch was machen eigentlich Menschen, die die normalen Ausgaben nicht lesen können, weil sie sehbehindert oder blind sind? Die Deutsche Bibelgesellschaft stellte bereits zum Verkaufsstart ein umfassendes Konzept vor, damit die neue Bibel wirklich "für alle" zugänglich ist.

"Es gibt eben verschiedene Bedürfnisse," sagt Hannelore Jahr, Leiterin für Lektorat und Bibelübersetzung bei der Deutschen Bibelgesellschaft - und für jedes solle es eine Bibel geben. Zum Verkaufsstart legt die Deutsche Bibelgesellschaft neben der Jubiläumsausgabe und 13 weiteren Druckausgaben sowie Digital- und Onlineversionen der revidierten Lutherbibel auch die Psalmen als Hörbibel und das Matthäus-Evangelium in Punktschrift vor. "Wenige Verlage schaffen es, zum Verkaufsstart so viele Ausgaben fertig zu bekommen" meint Barbara Brusius, Theologische Referentin des Dachverbandes der evangelischen Blinden- und evangelischen Sehbehindertenseelsorge (DeBeSS), anerkennend in der Gesprächsrunde "Die Lutherbibel für alle. Die verschiedenen Ausgaben der Lutherbibel 2017" auf der Frankfurter Buchmesse.

"Die Hörbibel ist auch für blinde Menschen interessant"

Zunehmend beliebt bei einem großen Publikum ist die Hörbibel, die in der szenischen Lesung der alten Fassung 80 Audio-CDs oder acht mp3-CDs zählte. Die neue Lutherbibel als Hörbuch wird von Schauspieler und Sprecher Rufus Beck gelesen, der vor allem als Vorleser der Harry Potter-Hörbücher bekannt ist. Das Einsprechen dauere mit allen Arbeitsschritten ungefähr ein Jahr, und dabei verspreche sich auch ein Profi wie Rufus Beck mal, verriet Mathias Jeschke, Verlagslektor Hörbibeln bei der Deutschen Bibelgesellschaft. Zum Verkaufsstart der revidierten Lutherbibel erscheinen jetzt zumindest die Psalmen bereits als Hörbuch, im Frühjahr 2017 soll das komplette Produkt auf dem Markt sein. "Die Psalmen als Hörbibel sind ein Teaser, den man gut als Weihnachtsgeschenk für jemanden verwenden kann, der sich schon auf die komplette Version freut," preist Jeschke sein Werk an.

Podiumsdiskussion "Die Lutherbibel für alle"; v.l.: Mathias Jeschke (Verlagslektor Hörbibeln, DBG), Hannelore Jahr (Leiterin Lektorat/Bibelübersetzung, DBG), Markus Hartmann (Teamleiter Digitale Medien, DBG), Moderatorin Anne Kampf (evangelisch.de), Barbara Brusius (Theologische Referentin beim Dachverband der ev. Blinden- und ev. Sehbehindertenseelsorge), Martin Feuerstein (blinder Kirchenmusiker und ehrenamtlicher Lektor).

"Die Hörbibel ist auch für blinde Menschen interessant", erklärt Martin Feuerstein, der selbst blind ist, als Kirchenmusiker arbeitet und ehrenamtlich als Lektor im Gottesdienst mitwirkt. Deshalb gibt es auch eine "daisyfizierte" Version der Hörbibel. Daisy stehe für Digital Accessible Information System und erleichtere das Zurechtfinden in der Hörbibel, da einzelne Kapitel und Verse ausgewählt oder durchgeblättert werden könnten, erklärt Barbara Brusius. Außerdem werde die Hörbibel datenmäßig stark komprimiert, sodass sie in dieser Version nur noch 3 CDs umfasst. Die neue Fassung einer daisyfizierten Hörbibel wird auf Grundlage der von Rufus Beck gelesenen Hörbibel erstellt und kann deshalb erst nach der regulären Hörbibel, die für Frühjahr 2017 geplant ist, erscheinen.

Seit dem 19. Oktober 2016 gibt es außerdem die App "Lutherbibel 2017" von der Deutschen Bibelgesellschaft für die Betriebssysteme Android und iOS für ein Jahr kostenlos. "Wir möchten, dass die neue Übersetzung unter die Leute kommt", sagt Markus Hartmann, Teamleiter Digitale Medien bei der Deutschen Bibelgesellschaft. Auch online ist die neue Lutherübersetzung kostenfrei zugänglich. Die App und auch das Online-Angebot konzentrierten sich vor allem auf eine gute Lesbarkeit für eine breite Masse, erklärt Hartmann. Sowohl das eBook als auch die CD-ROM besäßen noch weitere Funktionen, die vor allem für einen professionellen Umgang mit der Bibel gedacht seien.

Mit speziellen Apps, die vorlesen, was auf dem Bildschirm zu sehen ist, wird auch blinden oder sehbehinderten Menschen der Umgang mit der kostenlosen Lutherbibel-App ermöglicht. Allerdings, so Feuerstein, hake es da noch an einigen Stellen. "Wir bemühen uns, dass die App bald barrierefrei nutzbar ist," verspricht Hartmann und erklärt, dass die Arbeit für seinen Bereich der Digitalen Medien erst nach dem Verkaufsstart richtig losgehe. Vor allem die App sei eigentlich nie wirklich fertig, da durch technische Neuerungen und die Anforderungen der Nutzer ständig etwas geändert werden müsse. Da die Lutherbibel-App vorher nicht mit großen Nutzerzahlen getestet werden konnte, "kann es sein, dass auch noch der ein oder andere Fehler auftaucht," gibt Hartmann zu.

Speziell für blinde und sehbehinderte Menschen soll es auch eine Punktschrift-Version der revidierten Lutherbibel geben. Zur Herstellung einer Bibel in Brailleschrift sei aber nicht nur die Übersetzung, sondern auch eine besondere Anordnung auf der Seite nötig, damit blinde Leser sich schneller orientieren können, erklärt Barbara Brusius. In der Herstellung koste eine komplette Bibel in Brailleschrift deshalb um die 1300 Euro. Weil sich das aber kaum ein Blinder leisten könne, gibt es einen von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) subventionierten Preis. Das komplette Neue Testament der revidierten Lutherbibel, das im Sommer/Herbst 2017 fertiggestellt werden soll, kostet dann noch 75 Euro.

Martin Feuerstein, blinder Kirchenmusiker und ehrenamtlicher Lektor, liest im druckfrischen Matthäusevangelium in Punktschrift.

Die Auflage der ersten Version des Matthäus-Evangeliums, das schon zum Verkaufsstart vorliegt, umfasst vier Exemplare. Eines davon steht in der Blinden-Bibliothek in Marburg. Die Frage, ob sich bei so kleiner Auflage überhaupt der große Aufwand lohne, möchte Barbara Brusius nicht mehr hören: "Solange es Menschen gibt, die die Lutherbibel nur so lesen können, sollte man sich diese Frage nicht stellen." Auch Martin Feuerstein findet es "verdammt wichtig", dass jede und jeder die Möglichkeit bekomme, in der Bibel zu lesen. Schon die Fassung der Lutherbibel von 1984 gibt es komplett in Braille-Kurzschrift: In 32 Bänden und für insgesamt 250 Euro. Auch andere Bibelübersetzungen, wie etwa die BasisBibel oder die Einheitsübersetzung, sind in Brailleschrift erhältlich.

Großdruckausgabe ist in Planung

Von der Handhabung her merkt Feuerstein kaum einen Unterschied zur alten Fassung der Lutherbibel. Er nutze seine Braille-Bibel vor allem zum Studium zu Hause oder für die Lesungen als Lektor im Gottesdienst. "Aber nur, wenn es bei einem Buch bleibt. Sonst tippe ich mir die Verse lieber auf ein extra Blatt Papier, das ist dann nicht so schwer," sagt Feuerstein. "Für die Bibel in Punktschrift braucht man ein ganzes Regal, auf Reisen oder für den alltäglichen Gebrauch ist die Hörbibel oder die Online-Ausgabe eigentlich besser." Auch für Menschen, die im Alter erblinden und die deshalb nicht mehr die Brailleschrift erlernen können, sei eine barrierefreie Hörbibel nötig, pflichtet Brusius ihm bei.

Hannelore Jahr weist zum Abschluss der Veranstaltung außerdem auf die Großdruckausgaben hin, die die Deutsche Bibelgesellschaft für das kommende Jahr in Zusammenarbeit mit dem DeBeSS plant. Großdruckausgaben sind aufgrund ihrer großen Schrift auch für Menschen mit Sehbehinderung angenehm zu lesen.