Gerechter Friede – wie geht das?

Ein Graffito an einer Wand einer Schule in Hasaka im Nordosten von Syrien zeigt in einem Erdhügel steckende Waffen. Auf der Kuppe stehen zwei Kinder mit einem roten Herz-Luftballon.
Foto: epd-bild/Sebastian Backhaus
Graffito an einer Wand einer Schule in Hasaka im Nordosten von Syrien.
Gerechter Friede – wie geht das?
In Berlin treffen sich Kirchenvertreter aus aller Welt zur Friedenskonsultation
Wie kann die im Evangelium verankerte Botschaft der Gewaltfreiheit und Versöhnung praktisch umgesetzt werden? Im Angesicht der aktuellen Ereignisse in Syrien treffen sich deutsche und internationale Kirchenvertreter in Berlin, um über diese Frage zu sprechen. Dabei werden die vielen Aspekte und Dimensionen einer christlich fundierten Friedensethik deutlich werden, sagt Renke Brahms, der Friedensbeauftragte der EKD.

Herr Brahms, was ist das Ziel der Konsultation?

Renke Brahms
Renke Brahms

Renke Brahms (geb. 1956) ist Pastor, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche und seit Oktober 2008 erster Friedensbeauftragter des Rates der EKD.

Renke Brahms: Die 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen hat das Friedensthema stark gemacht. Wir haben ein gemeinsames Leitbild des Gerechten Friedens entwickelt, das mit der Denkschrift von 2007 auch die Basis in der EKD ist. Diese Ansätze wollen wir auf verschiedenen Ebenen weiterentwickeln. Was bedeutet es, eine Kirche des Gerechten Friedens zu sein? Für unseren Umgang miteinander, in den Gemeinden und dann auch mit den  gesellschaftlichen Herausforderungen. Das Friedensthema ist ein bisschen zum Randthema geworden in der Kirche. Wir wollen es wieder mehr in die Mitte rücken. Im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017 wollen wir auch darüber nachdenken, was der Gerechte Friede für die Gestalt der Kirche bedeutet. Wie muss sich Kirche verändern, um mit den gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen umzugehen? Wie können Handlungsfelder wie missionarische Dienste, Friedensdienste und Entwicklungsarbeit zusammenwirken?

Es geht also um eine Konkretisierung des Begriffs Gerechter Friede?

Brahms: Wir wollen den Begriff schärfen und konkretisieren, ja. Auch um ein bisschen wegzukommen von dieser dauernden Debatte um die ultima ratio militärischer Einsätze. Wir wollen eher auf die andere Seite gucken: Was heißt gerechter Friede konkret, was heißt Gewaltfreiheit konkret, was heißt zivile Konfliktbearbeitung? Wie müssen wir uns innerhalb Deutschlands verhalten, angesichts eines wachsenden Rechtspopulismus? Das sind Fragen, die uns beschäftigen sollen.

Welche Impulse kommen aus den Landeskirchen und Gemeinden?

Brahms: Der friedensethische Prozess der Evangelischen Landeskirche in Baden etwa hat die Frage angestoßen: Wie können wir Friedensbildung durchgängig in unseren Kirchen etablieren – vom Kindergarten über die Schule bis in die Gemeinden, in die Moderation von Prozessen dort? Was bedeutet das Engagement momentan bei den Flüchtlingen? Da merken wir, wie stark innerer und äußerer Friede zusammenhängen.

Friedensarbeit ist also ein gesellschaftliches Thema?

Brahms: Ja, aber der spirituelle Aspekt ist genauso wichtig und soll gestärkt werden. Auch er gehört zum Leitbild des Gerechten Friedens, weil wir aus der Kraft Gottes leben, aus dem Gebet, und für den Frieden eintreten. Dazu hat uns auch die Vollversammlung des Ökumenischen Rates ermutigt.

An der Konsultation nehmen auch Partner aus Afrika, Asien und Nordamerika teil. Was erhoffen Sie sich von ihnen?

Brahms: Wir wollen uns ökumenisch vernetzen und von ihnen lernen. Beispielsweise von der United Church of Christ in den USA, die sich selbst eine Kirche des gerechten Friedens nennt. Wie setzten die Gemeinden dort das um? Welche Themen sind in Südafrika brennend, in Sri Lanka, in Russland oder der Ukraine? Das werden andere Blickwinkel sein, von denen wir alle profitieren.

Welche Rolle spielen aktuelle Entwicklungen – wird es etwa ein gemeinsames Statement zu Syrien geben?

Brahms: Nein. Ich glaube nicht, dass wir am Ende zu einer Erklärung im Hinblick auf Syrien kommen. Das ist auch nicht das Ziel. Es geht wie gesagt mehr um einen Austausch, um ein voneinander und miteinander Lernen. Da wird die Vielfalt der Positionen nochmal deutlich werden. Wir wollen natürlich gerne auch erreichen, dass wir als Kirchen sowohl innerhalb der EKD, als auch in der weltweiten Ökumene deutlich mehr zusammenwachsen, mit einer Stimme sprechen können in bestimmten Konflikten oder uns unterstützen. Aber das Treffen jetzt in Berlin ist ein Beginn, ein erster Schritt auf einem Weg, der sicherlich länger dauert.