TV-Tipp: "Verdammt verliebt auf Malle" (Sat.1)

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TV-Tipp: "Verdammt verliebt auf Malle" (Sat.1)
13.9., Sat.1, 20.15 Uhr: "Verdammt verliebt auf Malle"
Weil es außer am Sonntag um 20.15 Uhr kaum noch feste Fernsehrituale gibt, müssen die Sender Einschaltimpulse setzen. Das funktioniert unter anderem über den Titel. Wenn Sat.1 einen Film "Verdammt verliebt auf Malle" nennt, ist das ein klares Signal: Achtung, Ballermannkomödie! Die Assoziationen liegen auf der Hand: Sonne, Strand, viel nackte Haut, Sangria aus Eimern und Jürgen Drews. Allerdings könnte sich der Titel auch als klassisches Eigentor entpuppen: Der Film enthält zwar tatsächlich alle genannten Ingredienzien, und selbstredend handelt es sich auch um eine romantische Komödie, aber die zu erwartende Klamotte ist er nicht, im Gegenteil; die Geschichte schlägt sogar nachdenkliche Töne an.

Sie beginnt in München: Die leicht verhuschte Spanischlehrerin Antonia (Valerie Niehaus) schwärmt im Unterricht von der Sehnsucht nach der grenzenlose Liebe, verschwendet sich im wahren Leben aber als Geliebte an ihren Rektor (Uwe Ochsenknecht), der keine Anstalten macht, seine Frau zu verlassen. Als sie mit ihrer Oberstufenklasse zur Abschlussfahrt nach Mallorca aufbrechen will, erfährt sie, dass der zweite Begleiter krank geworden ist. Kurzerhand übernimmt sie die Verantwortung allein, doch auf der Insel erwartet sie nächste schlechte Nachricht: Wo eigentlich ein schmuckes Hotel stehen sollte, gibt es bloß staubige Einöde. Schülerin Stella (Nicole Mercedes Müller) weiß einen Ausweg: Ihr Vater Gregor arbeitet im Mega Park; wer "Malle" sagt, meint unter anderem diese riesige Freiluftdisco. Was Stella verschweigt, weil es ihr peinlich ist: Gregor (Stephan Luca) ist Schlagersänger und ein Star auf der Insel.

Rein handlungsmäßig wäre das Ballermannlustspiel nach wie vor möglich, denn bei der allen Körpergiften abholden Antonia genügen der Begrüßungscocktail sowie ein abendlicher Strandspaziergang inklusive Feuerwerk, um die Nacht mit Gregor zu verbringen. Dass sich die beiden später auch noch ineinander verlieben, ist zwar etwas unrealistisch, aber Gegensätze dieser Art machen ja den Reiz vieler romantischer Komödien aus. Erstaunlicherweise gelingt es Christoph Busche (Buch) und Ulli Baumann (Regie) jedoch, aus den Zutaten einen Film zu zaubern, der durchaus einen gewissen Anspruch erfüllt; erst recht, wenn die Erwartungen angesichts des Titels eher niedrig sind. Das funktioniert, weil Busche, der zuletzt immerhin an der "NSU"-Trilogie beteiligt war, eigentlich eine Vater/Tochter-Geschichte erzählt: Gregor hat vor vielen Jahren Frau und Kind verlassen, um sich seinen Schlagertraum zu erfüllen. Stella ist tief enttäuscht von ihm, denn er war nie da, wenn sie ihn brauchte.

Ein kleiner Kniff mit großer Wirkung verhindert, dass "Verdammt verliebt auf Malle" zum Drama wird, schließlich gehört zu beinahe jeder romantischen Komödie auch ein ordentliches Missverständnis. In diesem Fall betrifft es die Liebenden aber nur indirekt: Weil sich Mitschülerin Helena (Zsa Zsa Inci Bürkle) Gregor recht unverblümt an den Hals wirft, ist Stella überzeugt, die beiden hätten was miteinander. Als sie ihren Vater und Antonia darauf anspricht, ohne Helena beim Namen zu nennen, glauben Gregor und die Lehrerin, Stella wisse von ihrer Beziehung. Dass später auch noch Antonias Liebhaber auf der Insel auftaucht, ist gleichfalls Teil des Standardmusters.

Niehaus und Luca spielen ihre Rollen zwar erwartbar, aber dennoch sind vor allem sie es, die den Film weit über das Titelniveau hinausheben. Niehaus versieht Antonia mit vielen kleinen Gesten, die den Charakter der Figur prägen, zumal ihre Kleider offenbar Vorhangstoffen aus den Sechzigerjahren nachempfunden sind (Kostüm: Barbara Fiona Schar); Kleidung ist auch hier ein probates Mittel, um den Wandel einer Figur zu verdeutlichen. Luca, der auch in diesem Film seinen wohltrainierten Oberkörper zeigen darf, hat es etwas einfacher, musste sich aber einer Herausforderung ganz anderer Art stellen: Die Party-Hits, die Gregor zum Besten gibt, singt Luca selbst, und das gar nicht schlecht; "Verdammt, ich lieb’ dich" hat er immerhin vor Hunderten von Partygästen im Mega Park vorgetragen. Die Mallorca-Größen Jürgen Drews und Mickie Krause singen dagegen nicht, was dem Film nicht zum Nachteil gereicht. Während Drews in seinem Gastpart recht souverän wirkt, wird aus Krause eher kein Schauspieler mehr. Aber er leitet das Finale ein: Als Stella rausfindet, dass Gregor und Antonia mittlerweile ernsthaft ineinander verliebt sind, reißt sie über Nacht aus. Ihr Vater fürchtet, sie habe sich auf ein Abenteuer mit Krause eingelassen, um ihm eins auszuwischen. Die Suche hat einen witzigen Auftritt zur Folge, bei dem das Paar den Entertainer auf einer Hochzeitsparty vermutet, deren Gäste allesamt ganz in Weiß erscheinen müssen; das einzige, was sich auf die Schnelle findet, sind ein Kapitänsanzug und ein ultrakurzer Krankenschwesterkittel, in dem Niehaus eine ebenso gute Figur macht wie Luca ohne Kleider.

Sympathische Dialoge

Baumann, dank Dutzender Sitcom-Folgen ("Nikola", "Ritas Welt") komödienerfahren wie nur wenige andere und mit so gut wie allen Fernsehpreisen ausgezeichnet, inszeniert diesen und einige ähnliche Momente, ohne dass es je peinlich wird. Sein Gespür für das richtige Timing zeigt sich auch in einer amüsanten Fahrstuhlszene, als Gregor von einem Stockwerk ins nächste rennt, um ein Beziehungsgespräch mit Antonia zu führen; die Dialoge sind ohnehin sehr sympathisch. Auch die jungen Schauspieler sind bei Baumann in guten Händen; besonderen Eindruck hinterlässt Nicole Mercedes Müller, die schon als Tochter von Hauptdarsteller Benno Fürmann in "Die vierte Gewalt" überzeugte.

Zu den Höhepunkten des Films gehören natürlich die Gesangsdarbietungen. Luca und Niehaus versuchen sich beim Karaoke-Abend mit Erfolg an "The Time of My Life" aus "Dirty Dancing"; Antonia ist ein großer Fan des Films und hat immer von einem Mann geträumt, der mir ihr die berühmte Hebefigur nachstellt. Der Song prägt auch das Finale, als Stella das Lied zu Ehren der Lehrerin bei der Abifeier singt und Luca einen weiteren großen Auftritt hat. Musik spielt ohnehin eine große Rolle. Als sich Gregor wehmütig daran erinnert, wie Stella früher für ihn "99 Luftballons" gesungen hat, greift Christian Hamm das Motiv auf und integriert es in seine Komposition. Die eine oder andere Schülerfigur ist etwas klischeehaft geraten, aber selbst das hat Methode: Gregor hält die jungen Leute für "Kulturzombies", die auf ihr Abitur fixiert sind und dringend mal auf den Putz hauen sollten. Das tun sie dann auch, inklusive einiger Abstürze; der Film ist weit davon entfernt, ein ähnliches Schicksal zu erleiden.