TV-Tipp: "Polizeiruf: Wölfe" (ARD)

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TV-Tipp: "Polizeiruf: Wölfe" (ARD)
11.9., ARD, 20.15 Uhr: "Polizeiruf: Wölfe"
Mit dem Krimi "Kreise" hat Christian Petzold im letzten Jahr den vielen ungewöhnlichen "Polizeiruf"-Beiträgen aus München einen weiteren, womöglich noch ungewöhnlicheren hinzugefügt. Petzold ist dank vielfach ausgezeichneter Werke wie "Die innere Sicherheit", "Yella" oder "Wolfsburg" der wohl prominenteste Vertreter der für ihre rigorose Reduktion bekannten Berliner Schule; und alles andere als ein versierter Krimiregisseur. Seine Arbeiten sind Dramen, die sich nicht durch eine raffinierte Bildgestaltung hervortun, sondern durch die inneren Konflikte ihrer (gern von Nina Hoss verkörperten) Hauptfiguren.

Auch "Wölfe", in gewisser Weise die Fortsetzung von "Kreise", ist ein introvertierter Film. Es gibt lange Gespräche im Auto, die Kameraarbeit ist betont sparsam, mitunter schaut Petzolds Stammkameramann Hans Fromm den Figuren einfach nur beim Rauchen zu; und dennoch entwickelt der Film eine enorme Kraft. Das liegt weniger an der eigentlichen Handlung, sondern an der Art und Weise, wie Petzold, der seine Drehbücher stets selbst schreibt, sie erzählt; seine Spannung verdankt "Wölfe" daher letztlich auch nur bedingt der Aufklärung des Falls.

Umso wirkungsvoller sind einige gezielt eingesetzte Horrorfilmelemente. Sie passen perfekt zu dieser Geschichte, die sich schließlich als böses Anti-Märchen entpuppt: In Oberbayern scheint ein riesiger Wolf sein Unwesen zu treiben. Zu seinen Opfern gehört neben einigen Schafen auch eine Frau. Die Spur führt zu einem Türken (Ercan Durmaz), einem ausgestiegenen Mitglied der faschistischen Grauen Wölfe. Seine umfangreiche Menagerie enthält tatsächlich auch einen großen Wolf; aber selbstredend ist der Mörder ein Zweibeiner.

Die Handlung ist keinesfalls zweitrangig oder bloß ein Vorwand, um die Geschichte der beiden Hauptfiguren weiterzuerzählen; aber deren Leistung ist es, die diesen "Polizeiruf" dringend preisverdächtig macht. In "Kreise" hat Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) erstmals mit einer Kollegin aus Hamburg zusammengearbeitet; ein eigentlich einmaliges Gastspiel für Barbara Auer. Doch nun ist Constanze Hermann wieder da, und die Romanze, die Petzold fast unmerklich im Hintergrund eingefädelt hatte, findet ihre Fortsetzung. Die trockene Alkoholikerin weilt zu einem klösterlichen Wellness-Aufenthalt in Bayern, kann von Meuffels telefonisch bei der Lösung eines Falls helfen und stolpert kurz drauf mitten in den nächsten hinein: In stockdunkler Nacht und sturzbetrunken läuft sie auf dem Heimweg von der Dorfkneipe ins Hotel einer Gestalt in die Arme, die sie mit rotglühenden Augen anstarrt. Tags drauf weiß sie allerdings nicht, ob sie ihrer Erinnerung trauen kann oder ob es sich bei der Erscheinung um die typische Halluzination einer Trinkerin handelt.

Während sich diese Szene bloß durch einen eindrucksvollen Gänsehautfaktor auszeichnet, sind die Aufnahmen der Todesopfer und vor allem die Beschreibungen ihrer Verletzungen unnötig eklig; das passt gar nicht zu dem zurückhaltenden Stil, den Petzold in diesem Film pflegt und der neben den beiden formidablen Hauptdarstellern die herausragende Qualität von "Wölfe" ausmacht. Fromms sparsamer Umgang mit dem Licht führt zwar dazu, dass viele Szenen im Zwielicht oder gar in kompletter Dunkelheit spielen, aber gerade der Verzicht auf künstliche Lichtquellen (etwa mitten in der Nacht im Wald) unterstreicht die düstere Märchenhaftigkeit des Films. Auch die Innenaufnahmen tragen sich größtenteils im Halbdunkeln zu, was zu reizvollen Kontrasten führt, wenn Petzold zum Beispiel von der in jeder Hinsicht kühlen Gerichtsmedizin in die heimelige Kneipe umschneidet, in der sich die Hamburgerin gerade betrinkt. Raffiniert ausgeklügelt ist allerdings eine Waschbeckenszene, in der sich Fromm zunutze macht, dass es mehrere Spiegel gibt.

Reduzierter optischer Aufwand und Musik

Ähnlich reduziert wie der optische Aufwand ist die Musik; oft begnügt sich Stefan Will, auch er regelmäßiger Mitarbeiter Petzolds, mit zwei oder drei Klaviertönen. Deutlich mehr Präsenz haben wie schon bei "Kreise" die sorgsam ausgewählten Songs. Dionne Warwicks Klassiker "Anyone Who Had a Heart" ertönt gleich mehrfach, ist sogar der Schlüssel zur Lösung und untermalt schließlich auch das Finale, wenn man mit Meuffels um das Leben der Geliebten fürchtet. Selbst diese Szene ist fast schlicht inszeniert, entwickelt aber dennoch eine große Intensität und verblüfft zudem mit der Erkenntnis: Inspiration für die Geschichte waren nicht etwa Märchen wie "Rotkäppchen" oder "Der Wolf und die sieben Geißlein", sondern "Die Schöne und das Biest".