TV-Tipp: "Tatort: Brüder" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Brüder" (ARD)
19.6., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Brüder"
"Brüder" ist kein Krimi im gewohnten Sinn, sondern konsequent als Gangsterfilm erzählt und inszeniert; Lürsen und Stedefreund (Sabine Postel, Oliver Mommsen) werden beinahe zu Nebenfiguren degradiert. Baxmeyer und sein Kameramann Marcus Kanter haben Bilder gefunden, die die Geschichte auch optisch deutlich vom gewohnten Sonntagskrimi unterscheiden.

Der erste "Tatort" in der Sommerpause ist die Wiederholung eines großen Krimis aus Bremen, der sich eines Sujet annimmt, das vor allem aus amerikanischen Filmen bekannt ist: Ein krimineller Clan terrorisiert eine komplette Stadt. Polizisten sind gekauft oder verängstigt, Zeugen werden bedroht, bestochen oder für immer mundtot gemacht, Richter eingeschüchtert. Mitunter ist dieser Film mit dem harmlosen Titel "Brüder" unerträglich: weil die Verbrecher mit den Behörden Katz und Maus spielen. Gerade die Prozessszenen, wenn die überheblichen Clan-Mitglieder das Gericht verhöhnen, sind eine Zumutung. Ähnlich unangenehm ist die aggressive Atmosphäre, ganz zu schweigen von einigen grausamen Momenten, die in ihrer Intensität nur schwer auszuhalten sind. Andererseits sind alle diese Details Qualitätsmerkmale, denn sie zeigen, wie gut Florian Baxmeyer den Krimi inszeniert hat. Wer die Betulichkeit der "Tatort"-Beiträge vom Bodensee oder die harmlosen Scherze des Duos aus Münster bevorzugt, sollte "Brüder" dringend meiden.

Das Drehbuch stammt von Wilfried Huismann, der für seine Dokumentationen bereits dreimal mit dem Grimme-Preis geehrt worden ist. "Brüder" ist sein dritter "Tatort" für Radio Bremen (Koautorin: Dagmar Gabler). Der Film erzählt die Geschichte dreier völlig unterschiedlicher Männer, die in fataler Beziehung zueinander stehen. Die Geschichte beginnt mit dem scheinbaren Routineeinsatz einer Streifenwagenbesatzung, doch Polizist Förster (Christoph Letkowski) und seine Kollegin geraten in eine Hinrichtung des Nidal-Clans. Die Polizistin wird durch Schläge und Tritte lebensgefährlich verletzt, Förster gelingt die Flucht. Als sich rausstellt, dass seine Nerven versagt haben, obwohl er mit einer Maschinenpistole bewaffnet war, wird ihm im Revier die Schuld am Tod der Kollegin gegeben. Um sich zu rehabilitieren, will Förster den Chef des Clans, Hassan Nidal, eigenhändig zur Strecke bringen, und er weiß auch, wer ihm dabei helfen wird: Mesut, Bruder Hassans und "Blutsbruder" von Förster, hat sich vor Jahren von der Familie losgesagt und studiert Jura. Er soll Hassans Vertrauen gewinnen und ihn in eine Falle locken.

Mindestens so wichtig wie die Bildsprache ist die Arbeit der Darsteller

"Brüder" ist also kein Krimi im gewohnten Sinn, sondern konsequent als Gangsterfilm erzählt und inszeniert; Lürsen und Stedefreund (Sabine Postel, Oliver Mommsen) werden beinahe zu Nebenfiguren degradiert. Baxmeyer und sein Kameramann Marcus Kanter haben Bilder gefunden, die die Geschichte auch optisch deutlich vom gewohnten Sonntagskrimi unterscheiden. Viele Einstellungen sehen dreckig und ungehobelt aus, Försters Motorradfahrten und der Einsatz der "subjektiven" Kamera sorgen für Rasanz, und auch der Schnitt (Friederike Weymar) verleiht dem Film immer wieder Dynamik. Auf diese Weise wirkt der "Tatort" aus dem kleinen Bremen beeindruckend großstädtisch.

Mindestens so wichtig wie die Bildsprache ist die Arbeit der Darsteller. Eine echte Entdeckung fürs hiesige Film- und Fernsehwesen ist Dar Salim, ein Däne mit irakischen Wurzeln, der hier in seiner ersten deutschsprachigen Produktion zu sehen ist und dem Clan-Chef dank einer faszinierenden Mischung aus Charme, Arroganz und Brutalität eine beängstigend überzeugende Präsenz gibt, aber auch die beiden Blutsbrüder Letkowski und Weidenhöfer machen ihre Sache ausgezeichnet. Eine Gratwanderung ist allerdings die Zeichnung der Clan-Mitglieder, für deren Charakterisierung das Autorenpaar eine regelrecht hasserzeugende Gemengelage aus Klischees und Vorurteilen zusammenmixt. Dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen kann, versteht sich fast von selbst.