TV-Tipp: "Matthiesens Töchter" (ARD)

TV-Tipp: "Matthiesens Töchter" (ARD)
8.4., ARD, 20.15 Uhr: "Matthiesens Töchter"
Viele Filme lassen sich in einem Satz zusammenfassen, aber manchmal ist dieser Satz nur die halbe Wahrheit. Drei Frauen kehren nach dem Scheitern ihrer Lebenspläne auf den Hof des trinkfreudigen Vaters zurück: Das ist im Grunde die ganze Geschichte dieser wunderbaren Komödie, die eigentlich ein Drama ist.

Dass das ehemalige Gestüt schon längst bankrott ist und der Direktor der örtlichen Bank nur darauf wartet, den Betrieb zu übernehmen, macht die Angelegenheit kaum origineller. Und trotzdem ist das Drehbuch von Sathyan Ramesh von einem verblüffenden Handlungsreichtum, weil sich immer wieder unerwartete Entwicklungen ergeben. Endgültig zu einem besonderen Werk wird "Matthiesens Töchter" durch die Umsetzung: Titus Selge (zuletzt "Überleben an der Scheidungsfront"), zu dessen besten Arbeiten die übermütigen "Polizeiruf"-Krimis aus Bad Homburg (2004 bis 2006) gehören, hat sich für seine Inszenierung freimütig beim Western bedient.

Trotzdem ist der Film keine Parodie, selbst wenn Manches offenkundig ist, etwa der musikalische Auftakt (Dominik Giesriegl), der die Bilder der in verschiedene Himmelsrichtungen davonreitenden Töchter mit einer Melodie untermalt, die Elmer Bernsteins berühmtem Motiv aus John Sturges’ Western-Klassiker "Die glorreichen Sieben" nachempfunden ist (eine weitere Verbeugung: die Dorfkneipe heißt "alter Sturges"). Im späteren Verlauf sorgen Bottleneck-Passagen für eine angenehm melancholische Countryblues-Stimmung. Auch die Bildgestaltung (Martin Langer) bedient sich immer wieder subtiler Western-Elemente. Dazu passen natürlich die Aufnahmen vom alten Matthiesen (Matthias Habich), der mit einem Repetiergewehr im Winchester-Stil auf der Veranda sitzt. Vor Jahrzehnten hat ihn seine Frau verlassen; seither widmet er sein Dasein der Schnapsvernichtung. Angesichts der zunehmenden Trostlosigkeit haben sich auch die drei Töchter nach und nach vom Hof gemacht. Allerdings ist es ihnen in der Fremde nur unwesentlich besser ergangen: Esther (Julia Jäger), alleinerziehende Mutter eines sehr dicken und offenbar schwer erziehbaren Sohnes (Rouven David Israel), arbeitet in einer Werft, die vor die Schließung steht; Rahel (Ulrike C. Tscharre) hat eine eigene Modefirma gegründet, aber die Buchhaltung vernachlässigt; und Nesthäkchen Thirza (Anja Antonowicz) fristet ein Dasein als Kellnerin in einem Internetcafé, würde jedoch viel lieber ein Buch über die Geschichte der Familie schreiben. Im Frühling haben sie eine liebevolle Weihnachtskarte ihres Vaters bekommen, im Herbst besinnen sie sich nicht ganz freiwillig ihrer Wurzeln und kehren nach Vorpommern zurück. Hier hat sich die Lage mittlerweile prekär zugespitzt: Matthiesen hat mittlerweile auch seinen besten Freund, den Tierarzt Gernot (Thomas Neumann), mit in die Pleite gerissen; und der Bankdirektor (Martin Brambach) ist drauf und dran, sich den Hof unter den Nagel zu reißen.

Natürlich ist die existenzielle Bedrohung des brachliegenden Betriebs das treibende Motiv der Handlung, aber Ramesh, dessen Drehbücher immer wieder die Vorlagen zu besonderen Romanzen waren (zuletzt "Süßer September", früher unter anderem "Eine Nacht im Grandhotel" und "Vier sind einer zuviel"), konzentriert sich vor allem auf die Entwicklung des familiären Gefüges: Während die Schwestern umgehend wieder ein Herz und eine Seele sind, bleibt der Vater schroff, abweisend, einsilbig und trinkfreudig. Eine besondere Rolle spielt die Beziehung zwischen Rahel und Esthers Sohn, der nicht nur Freundschaft mit Opas monströser Promenadenmischung schließt, sondern sich auch über beide Ohren in die attraktive Tante verliebt. Tatsächlich hat Rouven David Israel in der Szene, als der Junge seinem Glück greifbar nahe ist, knallrote Ohren. Es gibt eine Menge solcher Details, die für sich genommen nebensächlich sind, aber viel dazu beitragen, dass "Matthiesens Töchter" eine äußerst sympathische Komödie ist, die trotz all der Widrigkeiten, mit denen die Hauptfiguren konfrontiert werden, viel Lebensfreude vermittelt. Selbst die Kunst des Auslassens trägt zur Qualität des Films bei: Zu einem zünftigen Western gehört selbstredend eine Wirtshausschlägerei, aber derlei ist natürlich aufwändig zu drehen. Selge reduziert die tatkräftige Auseinandersetzung zwischen Familie Matthiesen und dem Rest der Welt auf eine Außenaufnahme der Dorfkneipe, aus deren Fenster kopfüber ein Mann geflogen kommt; später zeigt er die arg ramponierten Schwestern beim Wundenlecken.

Ungeeignet für Abstinenzler

Ganz entscheidend für die positive Wirkung des Films ist die Besetzung. Für Habich ist die Rolle des verschmitzten Griesgrams, dessen Dialoge trotz gelegentlicher geistiger Aussetzer vor Sarkasmus geradezu triefen, ohnehin wie geschaffen. Auch seine drei Töchter sind klug besetzt, weil sie nicht nur gut zu ihren Rollen passen, sondern auch ein stimmiges Ensemble ergeben. Einen kleinen, aber wichtigen Nebenpart spielt Alexander Beyer, in winzigen Auftritten wirken Sönke Möhring und Kida Khodr Ramadan mit. Völlig ungeeignet ist "Matthiesens Töchter" allerdings für Abstinenzler: Es wird unglaublich viel gesoffen in diesem Film.